Magie
Seine Haut war kalt. Er brauchte Wärme und trockene Kleidung.
Als sie aufblickte, war sie umringt von Menschen, in deren Gesichtern sie Neugier und Verwirrung las. Dakon stand innerhalb des Rings und beobachtete sie mit undeutbarer Miene.
»Er ist benommen«, erklärte sie ihm. »Man muss ihm trockene Kleider geben und ihn wärmen. Ist hier irgendjemand, der ihn kennt? Ein Verwandter? Ein Freund?«
»Ein Junge war bei ihm«, sagte ein Mann aus der Menge und trat vor. »Er ist flussabwärts an Land gespült worden. Ertrunken.«
Ein Sohn? Oder ein Lehrling? Sie verzog das Gesicht und schaute auf den Mann hinunter, dessen Züge noch genauso leer waren wie zuvor. Vielleicht hatte er es nicht gehört. Sie hoffte es. Dies war die letzte Information, die er im Augenblick gebrauchen konnte.
»Ich würde ihn zu seiner Frau nach Hause bringen.« Der Sprecher sah sich die Brücke an. »Ich bin ohnehin in diese Richtung unterwegs, aber...« Er deutete auf die zerstörte Brücke.
»Zu Hause« liegt auf der anderen Seite, vermutete sie.
»Darum werde ich mich kümmern«, sagte Dakon. »Bleibt hier.« Als er davonging, teilte sich die kleine Menge, um ihn durchzulassen. Jayan eilte hinter ihm her. Die beiden näherten sich den Bäumen, die auf einer Seite der Straße wuchsen und Teil eines Waldes des einheimischen Lords waren. Beide Männer verschwanden im Unterholz.
Tessia betrachtete den Mann, der gesprochen hatte. Dann blickte sie auf den am Boden liegenden Schmied hinab.
»Du kennst ihn?«
Der Mann zuckte die Achseln. »Ich habe schon bei ihm gekauft. Er lebt in Kleinrauchstadt, ein Stück weiter flussabwärts.«
»Geschieht ihm recht«, bemerkt jemand aus der Menge. »Er hat zu schwere Lasten über die Brücke transportiert.«
»Und er hat auch nicht gewartet. Reisende sollen nicht mehr als einen Wagen gleichzeitig hinüberbringen«, bemerkte jemand anderer. »Das hat Lord Gilar gesagt.«
»Und woher sollen wir das wissen?«, fragte jemand. »Wenn Euer Lord wusste, dass die Brücke einstürzen könnte, hätte er sie in Ordnung bringen sollen.«
»Jetzt wird ihm wohl nichts anderes übrig bleiben«, bemerkte der erste Sprecher leise.
»Aber er wird’s nicht tun«, sagte ein kleiner, untersetzter Mann, der herbeigekommen war, um den Schmied zu betrachten. »Zu geizig. Er wird uns zwingen, die südliche Brücke zu benutzen.«
Mehrere Zuschauer stießen ein Stöhnen aus, und einige gemurmelte Flüche wurden laut. Angelockt von Neugier, war die Menge näher gekommen.
»Diese Straße ist für Lord Dakon der direkte Weg in die Stadt und zu Lord Gilars Haus«, erklärte Tessia ihnen. »Wenn Lord Gilar nicht auf die Stimmen der Einheimischen hört, wird es ihn vielleicht überzeugen, dass mein Meister eine sichere Brücke braucht.«
Die Menge verfiel in Schweigen, und sie vermutete, dass die Menschen sich fragten, ob diese junge Frau Lord Dakon berichten würde, was sie gerade von den Leuten gehört hatte. Ihre Mienen wurden wachsam. Sie konnten nicht umhin zu überlegen, ob auch die Menschen auf Lord Dakons Lehen schlecht von ihrem Herrn sprachen. Würde er eine gefährliche Brücke so belassen? Aber Lord Gilar hatte Anweisungen gegeben, die den Einsturz der Brücke verhindern sollten, und vielleicht war er gerade dabei, sich mit dem Problem zu beschäftigen.
Vielleicht wartete er auf die Ankunft von Baumaterialien oder tüchtigen Handwerkern oder auf besseres Wetter für die Arbeiten.
Ein fernes Dröhnen lenkte alle Aufmerksamkeit auf den Wald. Sie spürte es im Boden, durch ihre durchweichten Stiefel. Die Menschen wandten sich um. Kleine Bäume im Wald erbebten, als sich etwas in ihm regte. Schließlich teilte sich das Unterholz, und ein riesiger Baumstamm glitt auf die Straße.
Er war so stark wie ein Mann, und von einem Ende zum anderen länger als drei Wagen mit Gespann. Das bleiche, frische Holz ragte, wo Äste abgetrennt worden waren, durch die dunklere, nasse Borke. Dakon und Jayan traten aus dem Wald. Sie blieben einen Moment stehen, um sich miteinander zu beraten, dann ging Dakon auf den Baumstamm zu und starrte ihn eindringlich an.
Ein lautes Krachen erklang, und der Baumstumpf spaltete sich in zwei Hälften.
Tessia hörte die Menschen um sie herum aufkeuchen. Wahrscheinlich hatte sie das Gleiche getan. Nun, das war beeindruckend, dachte sie.
Alle sahen zu, wie der Magier und der Meisterschüler die Baumstammhälften weiter vorwärtsgleiten ließen, mit der Borke nach unten und der glatten
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