Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
Er keckerte. „Ist ja meistens so, dass die gesunden Sachen beschissen schmecken.“
„Das stimmt“, antwortete Lorgyn etwas befangen, griff zu dem Krug und schenkte sich von der dunklen Brühe ein.
Mit einem Ächzen ließ der Mann sich nieder und atmete ein paar Mal tief ein. „Älterwerden ist eine Qual, das sage ich Euch.“
„Ihr seid also Niam“, versuchte Lorgyn das Gespräch in eine Bahn zu lenken, die ihn schnell wieder hier rausbrächte. Seine Lust, mit einem halbdebilen Greis einen Plausch zu halten, hielt sich in engen Grenzen.
„Ganz recht. Nun trinkt schon!“
Ein Seufzen unterdrückend und am Glas schnuppernd – das Zeug roch erdig –, nahm Lorgyn einen zaghaften Schluck. Angewidert verzog er das Gesicht.
„Ging mir am Anfang auch so“, meinte Niam nonchalant und stürzte sein Glas in einem Zug hinunter. „Weswegen seid Ihr hier? Lunge, Herz, ein Geschwür, rasende Kopfschmerzen, schlechte Durchblutung?“
„Nur wegen des Hauses“, murmelte Lorgyn. Wenn er die Zähne gegeneinander rieb, knisterte und knackte es leise in seinem Mund, als kaue er Häckerling. Da war tatsächlich Sand oder Erde drin.
„Hm, verstehe“, seufzte Niam. „Ihr habt keine Lust, mit einem alten Trottel zu reden.“
„Nein, so war das nicht gemeint …“, stotterte Lorgyn ertappt. Seine Ohren brannten.
„Im Alter bekommt man eben selten Besuch, vor allem, wenn man sich entschließt, nochmal umzuziehen.“
„Verzeiht mir meine Unhöflichkeit“, sagte Lorgyn.
„Schon in Ordnung. Als ich ein junger Geck war, ging mir auch nichts schnell genug. Nun bin ich alt, und ich habe Zeit, etwas, das man gar nicht genug schätzen kann.“ Er seufzte. „Leider läuft sie mir davon. Meine Wirbelsäule … Hat sich was hineingefressen, und es frisst sich immer weiter. Ich werde gelähmt sein, und dann werde ich irgendwann aufhören zu atmen.“ Trotzdem lächelte er – seine Zähne waren erstaunlich gut – und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Egal. Hatte ein gutes Leben. Ich hoffe, bei Euch ist es nicht allzu ernst?“
„Nicht ich, sondern meine Frau. Ein Lungenleiden.“ Lorgyn nahm einen bebenden Atemzug. „Sie wird sterben.“
Niams Gesicht zeigte aufrichtige Betroffenheit. „Das tut mir sehr Leid für Euch. Ihr dürft die Hoffnung nicht aufgeben. Habe hier Leute gesehen, die ganz von allein wieder gesund wurden. Diese Quellen sind etwas Besonderes.“
„Ich gebe niemals auf“, antwortete Lorgyn und hörte, wie hart seine Stimme klang.
„Das ist gut.“
Jemand klopfte gegen die Tür.
„Komm nur, Burain“, sagte Niam.
Ein bärtiger Mann mit einem Kinn wie eine Türschwelle betrat den Raum. „Zeit für Euer Bad, Meister Niam.“ Lorgyn begrüßte er mit einem Nicken.
Lorgyn zog die Augenbrauen nach oben. „Meister?“
Niam lächelte. „War lange bei den Laskinger Bogenschützen. Brachte es bis zum Garnisonshauptmann. Meister sagt Burain zu jedem, der ihm ein stattliches Trinkgeld für seine Dienste kredenzt.“
Burain lachte. „Das ist nicht wahr. Diesen Titel tragt nur Ihr.“
„Streicht mir wieder Honig um den Bart, der Charmeur.“ Mit einem Keuchen stemmte sich Niam aus dem Stuhl.
„Ähm, das Haus …“, murmelte Lorgyn.
„Könnt Ihr haben.“
„Wie meint Ihr das?“
„Gebt mir ein Goldstück dafür. Das reicht.“
„Für das ganze Haus?“
„Bezahlt beim nächsten Mal, wenn Ihr mich besucht. Da würde ich mich mehr drüber freuen als über schnödes Gold.“
„Versprochen“, nickte Lorgyn. Er meinte es so. Niam war ein gutmütiger, alter Mann und kein bisschen senil. Die Laskinger Bogenschützen waren das Elitefernkampfregiment des Kaisers. Bestimmt konnte Niam mit der einen oder anderen Anekdote aufwarten.
„Ihr findet mich entweder hier oder in einem der Badehäuser.“
„Oder im Wirtshaus beim Snorg“, ergänzte Burain, „wenn er den anderen Leuten mit seiner Falschspielerei das Geld aus den Taschen zieht.“
„Heute gibt´s nicht mal ein Kupferstück für dich“, gluckste Niam auf dem Weg zu seinem Schrank.
Burain lächelte amüsiert.
Der alte Mann kramte in einer Schublade herum, und wenig später reichte er Lorgyn einen angerosteten Schlüssel. „Für die Haustür. Ach, und oben auf dem Dachboden, da dürften noch zwei Lampen samt Öl und Zunderstein sein.“
Lorgyn bedankte und verabschiedete sich.
Je länger er auf dem Rückweg nach Eisbach darüber nachdachte, desto vorbehaltloser musste er eingestehen, dass er den alten Mann mochte.
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