Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
„Danke!“
Kapitel 3
Wo die Angst ist, da ist der Weg.
Japanisches Sprichwort
Wenn seinem Vorhaben, Aluna zu retten, die gleiche Pechsträhne anhaftete wie jetzt beim Snorg, könnte er gleich aufstehen, nach draußen gehen, seinen Kopf in den Schnee stecken und warten, bis er erstickte.
Mit einem zerknirschten „Ich passe“ warf Lorgyn sein Blatt auf den Tisch und ließ sich gegen die Stuhllehne sacken. An sich konnte es ihm egal sein: Verglichen mit seiner Barschaft waren die Einsätze lächerlich. Aber Verlieren war ihm ähnlich lieb wie eine quer im Hals stehende Gräte.
Aluna klopfte auf den Tisch – sie spielte weiter –, und Gerom, Arlo und Jasko taten es ihr gleich, des Weiteren ein älterer Mann und eine angejahrte Frau, deren beider Namen er wieder vergessen hatte. Die einzige, die ebenfalls die Karten auf den Tisch legte, war Duria.
„Habe Scheiße an den Fingern“, knurrte sie, wuchtete sich aus dem Stuhl und bahnte sich einen Weg in Richtung Tresen. Wer beim Snorg schon vor der ersten Spielrunde ausstieg, konnte sich aufs Warten einstellen. Das Schlimmste, was Lorgyn bisher erlebt hatte, war eine halbe Stunde gewesen.
Er hielt sich die Hand vor den Mund und gähnte. Die anderen Spieler stapelten unter einigem Geklimper ihre Einsätze vor sich auf und zogen weitere Karten. Von der Art her, wie sie ihre Karten hielten und ihre Kontrahenten beobachteten, waren Gerom und Arlo die einzigen ernst zu nehmenden Kontrahenten – und natürlich Aluna, die mit ausdrucksloser Miene eine Kupfermünze gekonnt über die Fingerknöchel wandern ließ. Der einzige Gegner, den Lorgyn bisher gehabt hatte, waren seine Karten.
Angesäuert ließ er seinen Blick durch den Schankraum wandern. Offenbar traf sich das ganze Kaff hier zum Kartenspielen. Jeder Tisch war besetzt, und die einzelnen Rufe der Spieler gingen in dem rollenden Meer der Gespräche unter, die mit dem Kartenglück aufbrandeten oder wieder abebbten. Die Luft war stickig, aber frei von Tabakrauch – ein Segen für Aluna.
Wie selbstverständlich hatte Gerom am Anfang des Kartenabends verkündet, dass heute Gäste mit Lungenleiden mit von der Partie seien. Ein bisschen Murren, mehr nicht.
Grinn, Laris und eine andere Frau kümmerten sich um den Ausschank und konnten sich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen. Gerade rauschte Laris vorbei, ihre Arme um ein halbes Dutzend Krüge geschlungen, die sie zielsicher und nur mit ein paar verlorenen Spritzern zu den durstigen Kehlen beförderte. Geraunte Wonnelaute drifteten an Lorgyns Ohr, als sich die Männer über das Bier hermachten.
Sein Krug stand unangerührt auf dem Tisch. Die Erfahrung von gestern wollte er nicht wiederholen, und ohnehin war er so müde, dass er heute keine Hilfe beim Einschlafen bräuchte. Schon jetzt fielen ihm fast die Augen zu, und je länger er dem Kartenspiel zusah und die Laute des Schankraums in sein Ohr drifteten, desto mehr musste er sich zusammenreißen, damit er nicht hier und jetzt wegnickte. Er blinzelte ein paar Mal und konzentrierte sich auf Alunas Spiel, sein Geist jedoch schlich sich allmählich davon wie ein Dieb, um an verschlossenen Türen zu rütteln. Er wollte sich dagegen wehren, war aber zu schwach. Seine Entkräftung ließ keinen Widerstand mehr zu, weder in körperlicher noch geistiger Form, und so musste er miterleben, wie einige dieser Türen aufschwangen.
Keine Gegenwart, keine Zukunft ohne Vergangenheit, hörte er die Stimme seines verstorbenen Lehrmeisters Bjarim. Alles auf der Welt gründet auf der Vergangenheit. Jeder Gedanke, jeder Entschluss hat seinen Ursprung im Vergangenen, denn das Vergangene macht uns zu dem, was wir in der Gegenwart sind – und in der Zukunft sein werden.
Bjarim war nicht nur sein Lehrmeister gewesen, sein Mentor, der ihn in den Mysterien der Magie unterwiesen hatte. Nein, er war der Vater gewesen, den er nie gehabt hatte. Egal um wie viel ausgeprägter Lorgyns arkane Kraft auch sein mochte und wie schnell er jeden anderen darin überflügelte – in Sachen Verstand, Weltklugheit und stiller Erhabenheit und Größe würde er Bjarim nie das Wasser reichen. Bjarim war ein Geistesriese gewesen, sein Haupt weit über den Wolken des Irdischen, des Gewöhnlichen.
Lorgyn vermisste Bjarim, und seit dessen Tod vor drei Jahren fühlte er sich … ja, haltlos. Vor allem, als Aluna krank geworden war. Das war vor ziemlich genau einem Jahr gewesen. Erst von Lorgyn und ihr als Winterhusten abgetan, wurden die Anfälle immer
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