Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
Gehstocks, und sie wackelte bei jedem Schritt. Sorgsam führte die Heilerin sie ins Becken und zog sie an den Händen sanft durch das trübe Wasser. Plötzlich lachte die Alte, und Lorgyn spürte, wie auch ihm ein Lächeln auskam. Er lehnte den Kopf gegen die Steinwand, lauschte mit geschlossenen Augen dem Blubbern und Plätschern. Eine angenehme Trägheit breitete sich in ihm aus. Vielleicht bildete er es sich ein, aber die Quellen schienen in der Tat zu wirken, und das, obwohl er den Dampf ja nur einatmete und nicht mit dem Heilwasser in Berührung kam. Einen Moment bereute er es, nicht im Wasser zu sein. Dem Beutel jedoch – oder besser gesagt dem Inhalt – würde Feuchtigkeit überhaupt nicht gut tun. Kurz sah er hinab. Die Verschnürung war dicht, sodass kein Wasserdampf hineingelangte.
Irgendwann begann er zu dösen, riss sich aber soweit am Riemen, dass er nicht vollends einschlief. Nicht dass jemand auf die Idee käme, seinen Beutel …
Lorgyn schnitt den Gedanken ab, löste sich von ihm. Hör auf mit deinem unbegründeten Argwohn!
Ein Seufzen, ein Strecken der Glieder, und die Anspannung wich. Dies war der erste Moment der Ruhe, seitdem er mit Aluna aus Jalsur verschwunden war. Er sollte ihn genießen. Je behaglicher ihm wurde, desto mehr spürte er etwas, das er sehr vermisst hatte.
Mit einem Schlag war er wieder hellwach. Aufmerksam horchte er in sich hinein, spürte die Schwingungen seines Körpers, den Dampf auf der Haut, hörte seinen Herzschlag. Und ja, da war es: das leichte Kribbeln oder Prickeln, das einer Daunenfeder gleich über seine Sinne strich. Es beschränkte sich nicht auf ein einzelnes Sensorium. Nein, das Gefühl, es schien überall – leise zwar, unterschwellig, am Rande des Wahrnehmbaren, doch er spürte es: Magie.
Nachdem er sie durch den Wärmezauber quasi vergewaltigt hatte, war sie zurück, hatte ihm verziehen. Es würde dauern, bis er wieder in der Lage wäre, einen effektiven Zauber zu wirken. Aber es war ein Anfang.
Bald geht es los.
Der Gedanke war Licht und Schatten.
„Lorgyn, schlaft Ihr?“
Alarmiert riss er die Augen auf, die Stimme war ganz nah bei ihm!
Dann atmete er aus. Niam.
„Ich wollte Euch nicht erschrecken“, sagte der Alte, dem die Feuchtigkeit das wirre Haar an den Kopf klebte und seinen Zwicker beschlagen ließ.
„Schon in Ordnung“, sagte Lorgyn. „Bin ein bisschen weggenickt.“
„War mir nicht sicher, ob Ihr es wirklich seid“, Niam nahm die Brille ab und wischte sie mit einem Tuch sauber, „aber Burain hat bessere Augen als ich.“
Niams Pfleger stand außer Hörweite und nickte Lorgyn zu.
Lorgyn erwiderte das Nicken und fragte Niam: „Ich dachte, Ihr sucht die Bäder eher am Vormittag auf.“
„Normalerweise ja, heute Morgen jedoch konnte ich kaum aufstehen. Mein verdammter Rücken …“ Mit einem Ächzen ließ er sich neben Lorgyn auf die Bank sinken. „Die Quellen wirken Wunder. Trotzdem wird mein Körper den Kampf verlieren – Heilwasser hin oder her.“
Lorgyn wusste nicht, was er darauf sagen sollte, und schwieg.
„Und? Wie gefällt Euch das Haus?“, fragte Niam nach einer längeren Pause.
„Ganz ausgezeichnet.“
Danach redeten sie eine Zeit lang über dies und jenes, über Niams Zeit bei den Laskinger Bogenschützen, über seine Kommandantur, und auch darüber, dass er es bereute, nie eine Familie gegründet zu haben. Wann immer das Gespräch drohte, auf Lorgyns Vergangenheit zu schwenken, konterte er mit einer Gegenfrage.
Gerade als Niam davon erzählte, leiser als zuvor und ein wenig spitzbübisch, dass er hier eine Frau kennengelernt hatte, die seinen Weg viel früher hätte kreuzen sollen, verzerrte sich sein Gesicht vor Schmerz.
„Verflucht!“, zischte er und bog den Rücken vorsichtig durch. Die Falten und Furchen in seinem wettergegerbten Gesicht vertieften sich.
Schon war Burain herbei, aber Niam schüttelte den Kopf, und der Pfleger entfernte sich wieder.
„Ich glaube“, sagte Niam ohne den leicht ironischen Unterton, den er gelegentlich anschlug, „dass man irgendwann an einen Wendepunkt gelangt. Zuallererst klammert man sich ans Leben wie ein Besessener, schiebt jeden Gedanken an den Tod ganz weit von sich. Nach einiger Zeit findet man sich damit ab. Man wird ruhiger und erfreut sich an jenen kleinen Dingen, die einem früher nie aufgefallen sind. Sonnenaufgänge zum Beispiel, oder Blitz und Donner. Man bestaunt die Welt und ihre Wunder, allem voran das Wunder der Liebe, das mir Iros in diesem
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