Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
er auch mit jedem anderen Bewohner Eisbachs disputieren. Ihm stand der Sinn nach frischer Luft und anregender Unterhaltung – egal ob Politik, Philosophie oder Geschichte –, etwas, das er seit Hunak Valgas´ Tod unendlich vermisste. Egal wie unterhaltsam die Gespräche mit Laris waren, in jene erhabenen und belflügelnden Sphären, in die man im Austausch mit wissenschaftlichen Koryphäen gelangte, stieß man mit ihr selbstredend nicht vor. Nicht des Mangels ans Geistesgaben wegen, ganz im Gegenteil, sondern weil ihr durch den Abbruch des Studiums schlicht und ergreifend gewisse Vorkenntnisse fehlten. In dieser Einöde vergeudete sie nur ihr Talent, doch die Bindung zu ihrem Vater wog offensichtlich schwerer als ihr Forscherdrang. Ein Jammer.
Arlo sah zu Lorgyn, der sich gerade eine Mütze aufsetzte und Handschuhe überstreifte. Ein Schreiber in Vaskalan, der nicht von der Fertigstellung des Theaters wusste … So etwas entging einem nicht, selbst wenn ein geliebter Mensch todkrank war oder man gar selbst auf dem Sterbebett lag. Das Theater war Vaskalan.
Als er fertig war, machte Lorgyn eine einladende Geste in Richtung des Weges, der zum Dorf führte.
Das Gespräch gestaltete sich so, wie es sich immer gestaltete, wenn zwei fremde Menschen sich zum ersten Mal allein unterhielten. Man kam über das Wetter zu dem Ort, in dem man lebte, wobei Lorgyn als hiesige Besonderheit die Quellen anpries.
„Habe ich noch nie aufgesucht“, gestand Arlo.
„Nicht? Du bist doch schon ein Weilchen hier, oder?“
„Ja, reizt mich aber nicht sonderlich.“
„Wenn Aluna und ich morgen hingehen, hole ich dich vorher ab, in Ordnung?“
Warum nicht mal ein bisschen entspannen? „Gut.“
„Fein.“
Arlo schielte zu Lorgyns Gesicht. Es zeigte keine versteckte Ablehnung, wirkte insgesamt viel fröhlicher und gelöster, ohne die ansonsten vorherrschende harte Note des Kummers. Hätte Arlo Aluna nicht gesehen, hätte er als Erstes vermutet, dass es ihr unerwarteter Weise besser ginge und Lorgyn deswegen so beschwingt wirkte. Daran jedoch konnte es nicht liegen: Verglichen mit dem Abend, an dem sie Snorg gespielt hatte, hatte ihr vorhin der Tod aus den Augen geschaut.
Sie erreichten das nördliche Ende Eisbachs, und Arlo deutete auf den Forst, dessen schneebehangene Wipfel über eine seichte Erhebung ein paar hundert Meter entfernt lugten. Das Sonnenlicht brachte die Eiskristalle zum Glitzern, sodass eine mit Edelsteinen bestreute Märchenlandschaft vor ihnen lag.
Der Weg war von Fuhrwerken und den Stiefeln der Holzarbeiter plattgedrückt, die Eiskruste aufgebrochen, sonst hätte es hier kein Vorankommen gegeben. Während sie nebeneinander einher schritten, entspann sich eine behagliche Plauderei über die Politik des Kaiserreichs, eines von Arlos Steckenpferden: eine gute Gelegenheit, Lorgyn etwas auf den Zahn zu fühlen.
„Was“, fragte Arlo, „wird Kaiser Sarto wohl wegen Borsun unternehmen?“
Borsun, die abtrünnige Region im Westen des Reiches: groß, dicht besiedelt, aufgrund der zerklüfteten Landschaft schwierig zu erobern und beherrscht von einem dem Wahnsinn anheimgefallenen Fürst, der eine erkleckliche Zahl von Soldaten unter seinem Banner vereinte. Einmal hatte sich Sarto bereits die Zähne an Borsun ausgebissen. Schon jetzt begehrten die Fürsten gegen einen weiteren Feldzug auf, um ihre Truppen nicht erneut der völligen Vernichtung preiszugeben. Sollte der Kaiser es dennoch wagen, durfte er sich keinen weiteren Fehlschlag erlauben. Eine prekäre Situation.
„Hmmm …“, machte Lorgyn, und sein Atem verwandelte sich zu einem Dampfwölkchen, das träge durch die klirrende Luft nach oben stieg. „Ich denke nicht“, sagte er schließlich, „dass Sarto in naher Zukunft einen Schlag gegen Fürst Kirvan plant.“
Innerlich schüttelte Arlo den Kopf: Wer sich auskannte, wusste, dass ein neuerlicher Einfall in Borsun ganz oben auf der Liste des Kaisers stand.
„Wie kommst du darauf?“, fragte Arlo etwas enttäuscht. Jetzt, da Detailwissen verlangt war, biss es bei Lorgyn offensichtlich aus. Schade.
Ein dünnes, der inneren Natur aus aber auch als süffisant zu deutendes Lächeln spielte um Lorgyns Lippen. „Ich denke, des Kaisers Augen sind gen Süden gerichtet, auf die Inselreiche. War es nicht sonderbar, dass just in der Zeit, als sein Heerbann das erste Mal nach Borsun zog, die Piratenflotten der Inseln das Festland angriffen?“
„Ein Zufall“, sagte Arlo, obwohl er Lorgyns Ansicht interessant
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