Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
Taumel tiefster Trauer, ein so großes Herz besaß, dass er nicht nur an sich dachte, sondern auch an andere.
Wie gehässig hatte er über diese Frau gesprochen! Vor lauter Scham verspürte er einen Moment den Drang, sich zu schlagen, sich irgendetwas anzutun, das ihn vielleicht läuterte.
Schuld.
Er wusste nun, was dieses Wort bedeutete. Vor der gestrigen Nacht hatte nur selten einen Gedanken darauf verschwendet, das Gefühl von Schuld nur in abgemilderter Form gekannt. Ein verletzendes Wort, eine unehrliche Tat – das ließ sich wieder aus der Welt schaffen, indem man um Verzeihung bat.
Die Schuld, die nun auf seinen Schultern lastete, würde dort bleiben. Gut möglich, dass sie ihn dereinst niederdrücken würde, ihn brechen.
Warum ausgerechnet Durias Mutter?
Existierte eine Art kosmisches Geflecht, dessen Schicksalsfäden trotz ihrer unendlichen Zahl miteinander verwoben waren? Zupfte man den einen, geriet auch ein anderer in Schwingung. Er würde nach Gruvak gehen, zusammen mit Arlo. Wollte ihn das Schicksal dort haben? Hätte er Durias Mutter nicht in sein … Experiment einbezogen, müsste er nicht dorthin. Aluna zuliebe hätte er Arlo eine Absage erteilt. Jetzt allerdings war alles anders.
Sie hat das Gefühl, Ihr würdet Euch von ihr abwenden. Sicher wollt Ihr das nicht, aber es ist das, was sie denkt. Seid einfach für sie da. Sie braucht Euch.
Lorgyn seufzte.
Er würde alles wieder gutmachen. Irgendwie.
Eine bange Frage allerdings blieb: Wie würde Aluna sein Ansinnen aufnehmen, sie umzuquartieren?
*
Sie nahm es teilnahmslos auf: kein Aufbegehren, keine Tränen.
Auf den ersten Blick war das gut. Auf den zweiten jedoch bereitete es ihm Unbehagen – als hätte Aluna sich bereits aufgebeben, als interessiere es sie nicht mehr, was noch geschah.
„Es ist das letzte Mal, dass ich dich allein lasse. Versprochen.“
„Tu, was du für richtig hältst.“ Sie stand über ihren Beutel gebückt und sah ihn nicht an, während sie ihre Kleidung hineinstopfte.
Plötzlicher Zorn donnerte gegen seine Mauer aus Selbstbeherrschung, so überraschend, dass er Aluna beinahe gepackt und durchgeschüttelt hätte, sie angeschrien, dass er es nur für sie tat! Warum verstand sie das nicht? Warum?
„Ich bin so schnell wie möglich wieder zurück.“
Keine Antwort.
Frustriert warf er die Hände in die Höhe. „Die Arznei ist wichtig, verdammt!“
Sie hielt inne, und ihr leerer Blick durchdrang ihn, als wäre er nur Luft – nicht der Mann, den sie aus Liebe geheiratet hatte. „Macht es einen Unterschied? Du bist nicht mehr bei mir.“
Ein Schlag ins Gesicht wäre nicht schlimmer gewesen.
Mit einem Ruck zog sie die Schnur des Beutels zusammen und drängte sich an ihm vorbei.
„Warte“, bat er.
Sie hielt nicht inne.
Seine Hand zuckte nach vorne, packte ihre Schulter. Er drehte sie herum, starrte sie an. „Du denkst also, mir ist es egal.“
Sie senkte den Blick, nicht, wie es schien, weil sie ihre Aussage bereute, sondern weil sie ihm nicht in die Augen sehen wollte.
Er fasste sie am Kinn. Sie wollte den Kopf wegziehen, doch er drückte fester, bis sie ihn endlich anblickte, ohne Trotz, aber auch ohne Wärme.
„Du bedeutest mir alles, Aluna. Alles auf dieser Welt.“
Ungerührt sah sie ihn an.
„Mag sein, dass ich … dass ich mich nicht damit abfinden kann, dass du krank bist. Trotzdem versuche ich es.“
„Das spüre ich nicht.“
„Ich möchte einen Weg finden, dich zu retten.“
Ihre Augen weiteten sich. Sie schlug seine Hand beiseite, hart, und wich zurück. „Es gibt keinen Weg! Du … du verfluchter …“ Sie begann zu zittern, das Blut wich ihr aus dem Gesicht. „Du hast es schon versucht! Tage und Nächte lang! Und es hat nicht geklappt! Du kannst nicht aufgeben! Du musst es weiter und weiter probieren. Nicht wegen mir – oh nein! –, sondern wegen dir !“ Ein bebender Atemzug passierte ihre Lippen. „Du hast mich schon verloren! Und das, obwohl ich noch gar nicht tot bin!“
*
Der ihren Worten folgende Anfall schleuderte sie so nah an die Schwelle des Todes wie niemals zuvor. Durias Gift brauchte länger als sonst, bis es wirkte. Sie atmete flach, gequält. Ihre Kraft war im Ausbruch ihrer Wut verglüht. Nun saß sie, in Kleidung und zwei Lagen Decken gepackt, neben ihm auf dem Bock. Er hatte einen Arm um sie geschlungen, damit sie nicht herunterfiel.
Auf der Ladefläche hockte Arlo und hielt sich an der Seitenwand fest, um nicht hin und her geworfen zu werden. Die
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