Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
Wagenspuren der Straße zu den Heilenden Quellen waren vereist, sodass das ein oder andere Rad ständig ausschlug.
Es war später Vormittag, der Himmel strahlte klar und kalt. Ein guter Tag zum Reisen. Er hatte Gerom gefragt, wie lange man nach Gruvak brauche. Entgegen seiner Befürchtungen hatte er mit Freude vernommen, dass er, so keine Zwischenfälle auftraten, sein Ziel spätabends erreicht hätte.
Trotzdem knotete es ihm den Magen zusammen, als er die Pferde vor Iros´ Gnade zügelte.
Ein Schaudern unterdrückend, ließ er seinen Blick über die zwei Särge wandern, die man gerade auf einen Wagen lud. Duria stand daneben, ihr Gesicht verweint.
Er half Aluna abzusteigen und führte sie in Richtung Eingang. Wie erwartet herrschte reges Treiben, nur Burain saß ganz still auf einer Bank, sein Gesicht traurig.
Lorgyn fasste sich ein Herz und ging zu ihm.
Das Gespräch verlief positiv, auch wenn man Burain anmerkte, wie nah ihm Niams Tod ging. Aber er versprach, sich um Aluna zu kümmern.
Lorgyn reichte ihm ein Silberstück und das kleine Fläschchen, das Duria ihm heute Morgen gegeben hatte.
„Bitte passt auf sie auf, bis ich wieder zurück bin. Wenn sie einen Anfall hat, gebt ihr davon.“
„In Ordnung“, sagte Burain und steckte Münze und Phiole ein.
„Leider bin ich in Eile“, sagte Lorgyn. „Ich muss nach Gruvak, um neue Arznei für meine Frau zu besorgen. Wenn alles glatt geht, bin ich morgen Abend wieder zurück.“ Seinen Worten schickte er einen flehenden Blick hinterher.
„Keine Sorge. Ich werde für sie da sein.“ Mit einem Seufzen erhob sich Burain.
Lorgyn hauchte Aluna einen Kuss auf die Wange. „Bald bin ich wieder bei dir, Liebste.“
Sie sagte nichts, sondern ließ sich bereitwillig von Burain die Treppe hochführen. Lorgyn trug ihr Gepäck nach oben. Erleichtert stellte er fest, dass Burain sie nicht in Niams Zimmer brachte, sondern in eines am anderen Ende des Ganges.
Das, in dem Durias Mutter gewohnt hatte?
Er verscheuchte den Gedanken und sah, wie Burain die Tür zu Alunas Zimmer schloss.
Zu seinem Entsetzen fühlte er sich erleichtert, dass sie weg war.
Irgendwie würde sich alles wieder einrenken. Es würde wieder so sein wie vorher.
Auf leicht zittrigen Beinen verließ er Iros´ Gnade und kletterte auf den Kutschbock, wo Arlo wartete.
„Kopf hoch, Lorgyn“, sagte Arlo mitfühlend, „sie ist in guten Händen.“
Lorgyn sagte nichts dazu, denn Arlo deutete seinen Gesichtsausdruck falsch. Nicht Aluna umtrieb seine Gedanken, sondern einzig und allein die letzte Nacht.
„Du kanntest Niam, oder?“, fragte Arlo vorsichtig. „Ich weiß, dass du ihm das Haus abgekauft hast. Deswegen …“ Er ließ den Satz in der Luft hängen und rettete sich in ein befangenes Achselzucken.
In knappen Sätzen erklärte Lorgyn ihm, wie er heute Früh zu Duria gegangen und somit die Geschichte erfahren hatte.
„Traurig“, meinte Arlo. „Und herzzerreißend schön. Zwei Liebende, die beschließen, den letzten Weg gemeinsam zu gehen. Findest du nicht auch?“
„Sicher“, presste Lorgyn hervor.
„Übrigens: Verlief das Gespräch gestern Abend erfolgreich?“
„Welches Gespräch?“
Erst nachdenken, dann reden, du Narr!
Arlo maß ihn leicht verwirrt. „Na, mit dem Mann, der einst an deiner Akademie …“
„Ach so! Ja, das war nett, wirklich. Es ging tatsächlich darum, etwas aus der Welt zu schaffen. Nichts Besonderes allerdings“, winkte Lorgyn ab.
Danach stierte er bewusst geradeaus. Der Weg beschrieb einen leichten Bogen nach rechts, vorbei an den letzten Unterkünften und Badehäusern, zuletzt einige Wohnhäuser und Schuppen, ehe hoch aufragende, schweigende Bäumen sie ablösten, erstarrt in ihrem Korsett aus Schnee und Eiszapfen.
Lorgyn erhöhte das Tempo, da die Schneekruste plan und fest war, ganz anders als zwischen Eisbach und den Quellen, wo unzählige Stiefel und Wagenränder das Weiß zu harten Eiskanten zusammengepresst hatten. Haine, Buschformationen und ausgedehnte Brachflure, aus denen abgestorbene Farne herausragten, wanderten an ihnen vorbei. Ab und an sah man Spuren darin, kleine Tapser von Nagetieren oder Vögeln, die irgendwie zu überleben versuchten.
Der Umstand, dass er sich weiter und weiter von Eisbach sowie den Heilenden Quellen entfernte, erweckte ein Gefühl von Befreiung. Eigentlich absurd, da weder räumliche noch zeitliche Distanz je etwas an dem ändern würden, was er getan hatte, und doch, das Rappeln des Wagens, das Knirschen der
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