Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
Valgas´ Aufzeichnungen bestimmt geben.“
Arlo kehrte die Handflächen nach außen. „Ich hatte nicht genügend Zeit, das Buch eingehend unter die Lupe zu nehmen.“
„Irgendein Ritual!“, keuchte Lorgyn, und plötzlich fror und brannte er zugleich. Er schoss aus dem Stuhl, beugte sich über die Tischplatte und griff sich an die Brust, als die Erkenntnis in ihn fuhr wie ein Klingenstoß.
Lorgyn hörte, wie Arlos Stuhl quietschte. Er hörte Arlos Stimme und hörte die Sorge darin. Doch es ging unter in dem tosenden Rauschen, das über seinen Gedanken zusammenschlug. Inmitten dieses Chaos erstieg ein einziges schreckliches Bild, geschnitten scharf in jedem Detail. Ein Mann auf einem Altar. Seine Eltern, die ihm den Dolch in die Brust rammten. Blut. Ein schreiendes Neugeborenes.
Kraftlos sackte Lorgyn zusammen, und hätten starke Arme ihn nicht in den Stuhl bugsiert, wäre er zu Boden gegangen.
„Was ist mit dir?“, fragte Arlo völlig entgeistert. „So rede doch!“
Lorgyn brachte keinen Ton heraus, war gelähmt, als das Bild, das er von seinen Eltern und ihren Taten hatte, plötzlich in einem gänzlich anderen Licht erstrahlte.
Erst nach einigen Minuten gelang es ihm, stockend von seinen Gedanken zu erzählen. Das Ritual seiner Eltern – nicht aus dunkler Gier nach Blut vollzogen, sondern aus Gewissenhaftigkeit? Um die Magie zu retten?
Nachdenklich kratzte Arlo an seiner großen Nase herum. „Auf der Reise nach Gruvak habe ich angedeutet, dass womöglich mehr hinter dem Tun deiner Eltern steckt als vermutet.“
Bebend schöpfte Lorgyn Atem. Warum ihm das Schicksal seiner Eltern derart nah ging, entzog sich seinem Verstand. Bisher hatte er – vom schrecklichen Aufwachen nach den Alpträumen abgesehen – stets mit einem gewissen Abstand darüber sinniert, ohne das Ganze an den Kern seins Ichs heranzulassen. Im Moment jedoch meinte er, als hätte er seine Kindheit im Beisein seiner Eltern erlebt, als wären sie erst gestern hingerichtet worden, und er wäre dabei gewesen, leibhaftig, nicht als die schwebende, körperlose Essenz eines Nachtmahrs. Die Zeit in Wintertal mit ihren extremen Entscheidungen und Ereignissen hatte die Schale zersetzt, hinter der er seine Emotionen zu halten pflegte. Er stand nackt im Sturm widerlich spitzer Eisnadeln, ungeschützt, dem Toben auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
„Beruhige dich, Lorgyn“, sagte Arlo und legte ihm die Hand auf den Unterarm. „Lass uns zusammen das Motiv deiner Eltern ergründen. Lass die Vergangenheit zu einer Erklärung ansetzen, die sie vielleicht von ihrer angeblichen Schuld reinwäscht.“
„Ja, das wäre gut“, wisperte Lorgyn und seufzte erleichtert, da das grausige Bild des Menschenopfers auf dem Altar in die dunklen Gewässer seiner Gedanken zurücksank.
Einige Zeit saßen sie schweigend.
Magische Ströme, das Wahren des Gleichgewichts, der Alte Bund, dessen wirkliche Bestimmung nach und nach aus dem Schwarz der Vergangenheit steigt.
Meine eigenen Taten …
Lorgyn ballte die Hände zu Fäusten. Nicht mehr zu ändern.
Bei der letzten Hürde bin ich gescheitert. Ist meine Mission vorbei? Mit jedem Tag streckt der Tod seine Klauen ein Stück weiter nach Aluna aus.
Dann erinnerte er sich an den Moment heute, sitzend am leeren Tisch in seinem leeren Haus.
Einem angeschossenen Vogel gleich, den Pfeil noch im Flügel, trudele ich umher und versuche, mich irgendwie zu halten, ohne auf den Boden zu krachen.
Wieso dieses Gefühl der Haltlosigkeit?
Langsam verstand er.
Es gab nichts mehr zu tun. Er war am Ende seiner Reise angelangt.
Trotz seiner Bemühungen war es ihm nicht gelungen, Aluna zu retten. Alles hatte lediglich dazu geführt, dass der Tod zweier Menschen auf seiner Seele lastete. Ein Schlag ins Wasser, das war das bittere Resümee seiner Reise nach Wintertal.
Kurz fragte er sich, ob Tralvis den Illusionszauber bereits bemerkt hatte, den er in der geheimen Kammer gewirkt hatte. Inzwischen müsste er am Abklingen sein, trotz des Geistesblitzes, die Illusion mit der Kraft des Artefakts zu speisen, das den Kampfzauber aktivierte, sobald ein der Magie Unkundiger den Raum betrat.
Eines Tages würden sie ihm auf die Schliche kommen. Die Täuschung mit dem Buch, die toten Tiere in seinem Garten, Ontis, der ihm zu Wintertal geraten hatte. Zu viele Duftmarken. Er hatte kalkuliert, dass ihm die Schlechtwetterperiode, während der der Pass nach Wintertal unpassierbar war, reichen würde. Mehr Zeit hatte er nicht.
Er
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