Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
verflüchtigte sich, ehe es Gestalt annahm. „ Du willst mich über Konsequenzen belehren?“
„Wie darf ich das verstehen?“, fragte Lorgyn. Sein Herz jedoch hatte seinen Verstand längst überholt, es begann gegen seinen Brustkorb zu schlagen, heftig, ähnlich dem Wummern einer Faust, die gegen eine Tür drosch. Sein Herz wusste bereits, auf was Arlo anspielte, während sein Geist dieser Erkenntnis verzweifelt hinterher taumelte.
„Lorgyn“, sagte Arlo. Er sprach seinen Namen ganz normal aus, und doch klang er anders, als besäße er eine dunkle, grässliche Niederung, die Arlo nun zu erforschen gedachte.
Lorgyn spannte sich, krampfte die Hände um die Zügel, war starr und gespannt wie die Seilwinde eines zum Feuern bereiten Katapultes.
Arlo biss sich kurz auf die Lippen, ehe er weiterredete. „Ich bin froh, dich getroffen zu haben. Wir beide besaßen dasselbe Geheimnis, das der Kralik durch Zufall lüftete. Mein anderes Geheimnis kennst du inzwischen ebenfalls: Ich wandle auf Hunaks Spuren, bestrebt, sein Werk zu vollenden. Mehr gibt es nicht. Von dir weiß ich nur, dass du einer der mächtigsten Magier des gesamten Reiches bist. Und du hast eine schwer kranke Frau, die du über alles liebst. Ihr nahender Tod setzt dir ungemein zu.“ Den Blick nach vorne gerichtet, redete er weiter. „Aber da ist viel mehr, Lorgyn. Noch so viel mehr …“
Lorgyn vermochte kaum zu atmen, saß weiterhin wie eine Statue auf dem Bock. Nur sein Herz bewegte sich. Es pumpte und pumpte, und er hörte das Blut in den Ohren tosen, spürte einen schmerzhaften Druck in den Schläfen.
„Einerseits würde ich diesen Schleier gern zerreißen, der dich umhüllt, diesen dunklen Schleier. Andererseits fürchte ich das, was sich dahinter verbirgt. Ich bin mir im Klaren, dass du mich angelogen hast, als du in der Nacht verschwandst und mich gebeten hast, auf deine Frau aufzupassen. Jemand, der einst ebenfalls an der Akademie in Jalsur gewesen war, möchte dir etwas beichten – fürwahr, eine nette Geschichte: der sterbende Greis, der dir mit seinem letzten Atemzug etwas anvertraut, was ihn sein ganzes Leben beschäftigt hat. Danach schließt er, von seiner Schuld befreit, die Augen und entschläft friedlich.“ Arlo lachte kurz, aber das Lachen war genauso ohne Wärme wie die Sonne am Himmel. „Ich habe nichts gesagt: Zu wichtig war es mir, dass du mich nach Gruvak begleitest. Du hättest auch behaupten können, dass du Blähungen hast und deswegen die Luft im Haus nicht verpesten willst.“
„Es tut mir Leid, Arlo, aber ich …“
Arlo schüttelte den Kopf. „Lass mich bitte ausreden. Auch diese Sache mit den Tieren, die verwahrlost in deinem Keller hausen: Weder ich habe eine Ahnung, was du dort machst, noch, was du damit bezweckst. Und was ich als nächstes sage, erfährt niemand – das schwöre ich bei meinem Leben und dem Schaffenswerk meines Mentors.“ Er sah zu Lorgyn herüber. „Ich erachte es als höchst merkwürdig, dass es, nachdem du mitten in der Nacht bei den Heilenden Quellen warst, am nächsten Morgen zwei Tote gibt.“
Ein Zufall, ehrlich, mehr nicht. Da sterben die ganze Zeit Menschen, die sind ja alle alt und krank. Diese Unterstellung ist wirklich dreist!
Genau jene Worte kamen Lorgyn in den Sinn, doch er sprach sie nicht aus. Konnte es einfach nicht.
Schweigen ist Antwort genug, besagte ein Sprichwort.
Er stierte nach vorne, als irgendetwas in ihm sprang wie eine überspannte Saite über einem Geigensteg.
„Ich will auch gar nicht wissen, was vorgefallen ist“, setzte Arlo hinzu. „Mag sein, dass es nur ein Zufall war. Allerdings glaube ich nur begrenzt an Zufälle.“
Genau wie ich, dachte Lorgyn bitter.
Für einen winzigen Moment, wenig länger als ein Wimpernschlag, stellte sich Lorgyn die Frage, ob er Arlo aus dem Weg schaffen sollte.
Er erschrak so heftig über diesen Gedanken, dass ihm das Blut aus dem Gesicht wich.
„Ich will es dabei belassen, Lorgyn. Aber als … Freund rate ich dir, mit dem aufzuhören, was du tust. Selten hat mich mein Instinkt getrogen. Du beschreitest einen dunklen Pfad. Kehr um.“
Lorgyn krampfte die Lippen zusammen, ein verzweifelter Versuch, die Tränen zurückzuhalten, die ihm in die Augen drangen. Arlos Worte hatten den Verteidigungswall um seine Seele niedergerissen.
Hart und schmerzhaft krallten sich die Schluchzer in seiner Kehle fest. Alle Kraft verließ ihn, doch als er dachte zu fallen, schlang sich ein Arm um seine Schultern, ein starker Arm, der
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