Magier des dunklen Pfades 2 - Der Alte Bund (German Edition)
leise, Gerom allerdings fühlte sich aus unerfindlichen Gründen unwohl – nicht wegen Firnas ungehobelten Abgangs –, und auf dem Rückweg zur Perle versuchte er herauszufinden, warum. Es war nichts Körperliches, sondern eine Kopfsache, als versuche er, einen Gegenstand zu finden, den er gar nicht vergessen hatte. Sonderbar.
Erst später, als er gerade die Holzaxt in den kleinen Werkschuppen zurückbrachte und Laris schnellen Schrittes in Richtung Dorfzentrum davoneilen sah, dämmerte es ihm.
Sein Unbehagen hatte zwei Gründe: Erstens konnte er nicht aufhören, darüber nachzudenken, was die Zerstörungsgewalt, die die Luke getroffen hatte, bei einem Menschen anrichten würde. Zweitens wurde das Wetter zusehends schlechter, und Laris machte sich so schnell aus dem Staub, als wolle sie nicht, dass jemand sie sah. Wenn sie beim Friedhof einträfe, hätte sie vielleicht noch ein paar Minuten, ehe das Unwetter losbrach. Vielleicht wollte sie auch gar nicht zum Friedhof, sondern nur eine Freundin besuchen.
Gerom wischte sich den Schweiß von der Stirn und kniff die Augen zusammen.
Friedhof. Lorgyn.
Mit einem unterdrückten Wutschrei schleuderte er die Axt in den Schuppen. Das Blatt grub sich knirschend in die Seitenwand eines alten Schranks, der daraufhin zitterte und wackelte.
»Warum gerade dieser Kerl?«, knurrte er und ballte die Fäuste.
Er fühlte sich zornig und ohnmächtig, als er die Perle betrat, sich ein Bier schöpfte und finsteren Gedankenpfaden folgte.
*
Der Nachhall der zuschlagenden Eingangstür verwob sich unter der niedrigen Zimmerdecke mit seinen eigenen Atemzügen. Er hatte Laris weggeschickt, ohne groß mit ihr zu reden, ohne Sex, ohne Kuss oder eine andere Art von Zärtlichkeit.
Die Ereignisse des Tages beschäftigten Lorgyn zu sehr, als dass er Begehren empfand – oder die Motivation, mit ihr über seine Probleme zu reden.
Zu Recht war sie erbost, tief getroffen, fühlte sich verschmäht. Er verstand sie. Aber ändern konnte er es nicht. Sie wollte eine Entscheidung. Wenn auch nicht ihre Lippen, so sprachen Mimik und Gestik eine umso deutlichere Sprache. Nur konnte und wollte er diese Entscheidung nicht jetzt treffen. Sie würde irgendwann fallen, doch nicht heute und auch nicht morgen.
Wahrscheinlich verliere ich am Ende sowohl Aluna als auch Laris.
Mit einem Seufzen griff er sich Jacke, Mütze und Handschuhe und verließ sein Haus.
Er schlug denselben Weg ein, den er mit Arlo gegangen war, bevor der Kralik sie anfiel.
Das Wetter war sonderbar, ein Mischmasch aus Wind, Nebel, Kälte und Sonne. Er schritt forsch aus, sodass bald die hünenhaften Bäume vor ihm aufragten, die ihn so beeindruckten. Arlo, obwohl der Magie kaum fähig, hatte im Wald einen sprunghaften Anstieg seiner arkanen Macht gespürt – und Lorgyn somit das Leben gerettet. Einmal war Zufall – zweimal hatte einen Grund. Bei den Heilenden Quellen war es abermals passiert, und das kurz nach dem Kampf gegen den Kralik. Schenkte man dem Theorem der unsichtbar verlaufenden magischen Ströme Glauben, kam für Lorgyn nur eine Schlussfolgerung infrage: Ein magischer Strang pulsierte unter dem Wald, ein anderer unter den Heilenden Quellen. Vielleicht war es auch ein und derselbe, der sich im Zickzack schlängelte, aber das spielte keine wesentliche Rolle. Das unerklärliche Wachstum der Bäume, die Heilkraft der Quellen, Arlos Magieregeneration: Legte man diesen Phänomenen das Wirken der magischen Ströme zugrunde, ergab alles einen Sinn.
Lorgyn drehte sich herum, ehe er das Zwielicht des Waldes betrat. Niemand verfolgte ihn. Trotzdem blieb er einen Moment stehen und genoss den Anblick.
Goldene Sonnenpfeile schossen in den Nebel, der sich wie verwundet rötete und in Glanz und Licht zerrann, und dahinter, jenseits der Dächer von Eisbach, rollte eine dunkle Wolkenwand heran, tosend und wirbelnd, und im Zauber dieses Augenblicks hätte es Lorgyn nicht verwundert, wenn sich die Wolken geteilt und ein riesiger Streitwagen mit Himmelsrössern herausgebrochen wäre.
So atemberaubend der Himmel auch aussah – er ließ nur zwei Möglichkeiten: entweder zurück nach Eisbach, um dem Sturm zu entkommen, oder das Unwetter hier im Wald aussitzen, auf die Gefahr hin, dass das einige Zeit dauerte.
Lorgyn drehte sich um. Kühle, harzige Waldluft umfing ihn. Er war hier. Und er würde nicht umkehren. Punktum.
Soll der Sturm sich ruhig austoben. Diese Titanen wird er nicht zum Schwanken bringen.
Bald erreichte er die
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