Magier unter Verdacht
die drei Mädchen im Chor.
„Und jetzt geht es noch die Treppen rauf?“, fragte der eine Krankenpfleger.
Die alte Frau nickte. „Ganz oben. Aber das schaffe ich noch nicht alleine nach einer Woche Krankenhaus. Meine rechte Hüfte ist zwar funkelnagelneu, aber …“
„Dafür haben wir ja den Treppenspezialgriff, Frau Osterode“, unterbrach sie der andere Pfleger freundlich.
Die Mädchen kicherten. „Der nennt dich Frau Osterode, dabei heißt du doch Uroma Osti!“
„Da seht ihr mal, wie seltsam manche Leute sind“, lachte die alte Dame. Dann nickte sie den beiden Pflegern zu, die sie zwischen sich auf ihre zusammengelegten Hände setzten.
„Und los geht’s, Uroma Osti!“, rief der eine.
Die Frau zog einen Schlüsselbund aus ihrer Handtasche und öffnete.
Schnell schlüpften die Kinder an ihr vorbei, hakten die Tür ein und eilten dann voraus ins Treppenhaus.
Jenny, Ağan und Addi sahen ganz nach oben. Das letzte Küchenfenster rechts vom Treppenhaus stand auf ihrer Liste, denn dort hing ein Blumenkasten mit Geranien.
„Auch in diesem Fall haben wir richtig kombiniert. Gar nicht schlecht“, meinte Addi.
„Ja, aber da können wir jetzt nicht fragen, die alte Frau kommt ja gerade erst aus dem Krankenhaus“, gab Ağan zu bedenken.
Jenny nickte. „Und mit dem Treppenhaus warten wir auch lieber noch, bis die Krankenpfleger wieder weg sind. Lasst uns zuerst nach hinten in das dritte Haus gehen!“
Die Unsichtbar-Affen wollten gerade den Hof überqueren, als ein Mann und eine Frau durch den schmalen Torbogen traten. Der Mann trug einen Koffer und die Frau einen Blumenstrauß.
„Jetzt beeil dich doch, Manne“, rief die Frau. „Sie müssen schon oben sein. Ich will unbedingt hören, was sie sagt!“
„Immer mit der Ruhe, Hanni!“, antwortete der Mann. „Freuen wird sie sich, nun mach dir mal keine Sorgen.“
„Ach, das hoffe ich wirklich. Es war ja auch dringend mal nötig!“
Die beiden eilten schnellen Schrittes auf den Hauseingang zu. Doch noch ehe sie diesen betreten hatten, erscholl plötzlich von ganz oben ein markerschütternder Schrei.
„Nein! Was ist das denn? Um Gottes willen, was ist denn hier passiert?“
Mit schreckgeweiteten Augen sahen die Frau und der Mann sich an, dann sprinteten sie wie von wilden Hunden gejagt die Treppen nach oben.
Jenny, Addi und Ağan drückten sich erschrocken gegen die Hauswand.
Im nächsten Augenblick wurde im obersten Stockwerk das Fenster aufgerissen und der Kopf der alten Dame erschien.
„Mein Sessel!“, rief sie verzweifelt. „Wo ist er? Er ist nicht mehr da! Ach, Kinder, was habt ihr bloß getan? Ihr wisst ja nicht, was ihr angestellt habt! Ach, ach, ach!“
„Hoch da!“, stieß Addi hervor. „Jetzt ist Hilfe gefragt!“
Auf seine Worte stürzten die Freunde ins Treppenhaus und eilten die Stufen hinauf. Im letzten Stockwerk blieben sie außer Atem vor der geöffneten Wohnungstür der alten Dame stehen.
„Aber Omi“, hörten sie die jüngere Frau aus der Wohnung rufen. „Da ist doch noch der andere, wir haben nur den kaputten weggenommen.“
„Er war nicht kaputt, er war nur etwas verschlissen. Das war derLieblingssessel deines Großvaters! In dem hat er immer gesessen. Jeden Tag!“
„Oma Osti“, mischte sich offenbar nun der Mann ein, der den Koffer getragen hatte. „Guck mal, das Sofa ist noch da. Und der zweite Sessel doch auch. Und das Bett, sieh dir nur das Bett an! Es ist ganz neu! Wir haben es extra für dich besorgt! Es ist ein sehr gutes Bett mit einer sehr guten Matratze! Darin wirst du ganz bequem liegen!“
„Ja, Frau Osterode“, sagte einer der beiden Krankenpfleger. „Diese Matratze ist wirklich eins a!“
Jenny, Ağan und Addi standen auf der Schwelle der Wohnung und lauschten.
„Das mag ja alles sein, aber ach …“ In der Wohnung schluchzte es jetzt.
Neugierig spitzte nun auch Goffi die Ohren.
Die Stimme fuhr fort: „Und das Bett ist wirklich sehr schön! Ihr seid ja auch lieb! Aber der Sessel, der Sessel … Diesen Sessel habe ich noch vor dem Krieg im besten Geschäft Berlins gekauft. Die berühmte Muschelsesselgarnitur. Und ihr kennt ja die Geschichte nicht …“
„Omi“, sagte Frau Osterodes Enkelin sanft. „Das schöne neue Bett und die gesamte Couchgarnitur, das war zu viel für das kleine Zimmer. Wir mussten einen der beiden Sessel wegräumen.Und da haben wir uns für den kaputteren entschieden. Du sitzt doch sowieso immer in dem anderen, wenn du stickst oder Fernsehen guckst.
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