Magier unter Verdacht
Und der ist ja noch da. Und das Sofa auch.“
„Ach, Kinder, das sehe ich ja. Aber …“ Die alte Frau schluchzte wieder.
„Uroma Osti!“, riefen die drei Mädchen „Was ist denn so traurig mit dem Sessel? Ist das, weil der andere Sessel jetzt alleine ist?“
„Ja, so kann man das vielleicht sagen …“
Die alte Dame schien sich ein wenig zu beruhigen, denn plötzlich wurde ihre Stimme leiser und die Unsichtbar-Affen mussten sich anstrengen, noch etwas zu verstehen. So weit sie konnten, schoben sie ihre Köpfe in den engen Flur der kleinen Wohnung.
„Das ist furchtbar lieb, dass ihr mir dieses Bett geschenkt habt. Ihr wolltet mir etwas Gutes tun und jetzt mache ich so ein Heckmeck.“
„Was hat sie gesagt?“ Ağan zog die Augenbraue hoch. „Kelebek?“
„Was soll das denn heißen?“, flüsterte Addi.
„Schmetterling“, flüsterte Ağan zurück. „Aber wieso kann sie auf einmal Türkisch und was hat ein Schmetterling mit ihrem Sessel zu tun?“
„Sie hat nicht Schmetterling auf Türkisch gesagt, ihr Dämel“, zischte Jenny. „Sie hat Heckmeck gesagt. Das heißt so was wie Affentheater.“
„Aber was hat die alte Dame nur?“, fragte Ağan besorgt. „Sie leidet sehr. Ich kann an ihren Worten hören, dass ihr Herz verletzt ist.“
Addi nickte. „Und das hat irgendwas mit dem Sessel zu tun.“
„Vielleicht, weil er mal so teuer war?“, überlegte Jenny.
Aber Ağan schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht. Ich glaube, dieser Sessel hat ein anderes Geheimnis.“
„Kinder“, erhob sich in diesem Augenblick wieder die Stimme der alten Dame. „Ich danke euch für alles, was ihr mir Gutes getan habt, aber leider gibt es bei all dem auch eine dunkle Geschichte …“
„Eine dunkle Geschichte!“ Ağan hob eine Hand und stach mit dem Zeigefinger in die Luft. „Da ist sicher ein Dschinn im Spiel. Freunde, ich sage euch, diese Großmutter spricht nicht zufällig Türkisch. Sie ist bestimmt eine Dschinnbeschwörerin …“
„Ağan!“, fuhr Jenny ihn an. „Das kann nicht sein. Wenn der Sessel ihr Glück gebracht hätte, dann würde sie nicht in dieser engen Wohnung im dritten Hinterhof wohnen. Glückliche Leute leben in großen Wohnungen voller Licht.“
„Du verwechselst Glück und Reichtum, Jenny!“, widersprach Ağan.
„Das stimmt, Jennymädchen“, sagte auch Addi ernsthaft. „Ich wohne in einer Supervilla und bin nicht glücklicher als ihr.Nein, ich bin sogar nur glücklich, weil ihr meine Freunde seid. Ich könnte auch hier wohnen und wäre glücklich, weil es euch gibt.“
Gerührt sahen Jenny und Ağan Addi an. „Das hast du schön gesagt“, flüsterte Jenny dann. „Aber ich bin dafür, dass du in der Villa bleibst. Ich finde es toll, dass wir da Tennis spielen können und den Swimmingpool benutzen.“
Ağan schnalzte leise mit der Zunge. „Seid still! Hört mal, diese Geschichte hier ist noch nicht zu Ende …“
Tatsächlich hatte die alte Dame bereits angefangen, zu erzählen.
„Ihr müsst wissen, dass mein lieber Friedrich immer der Meinung war, keine Bank der Welt wäre ein sicherer Ort für das, was ein Mensch im Sparstumpf hat. Dass er so dachte, war eine Folge der Inflation, die wir als junge Menschen erlebt haben. Damals war plötzlich in wenigen Tagen alles Geld nur noch ganz wenig wert. So, als ob man für einen Euro von einem Tag auf den anderen nur noch das kaufen könnte, was man gestern für zehn Cent bekam oder noch weniger.“
„Das kann passieren?“, fragte eines der Mädchen.
„Ja, das ist passiert. Und deswegen hat euer Uropa immer alles, was er besaß, bei uns zu Hause aufgehoben, das Geld und auch unseren alten Familienschmuck. Und als er auf dem Sterbebettlag, musste ich ihm versprechen, dass ich es auch so halten würde, und das habe ich selbstverständlich getan.“
„Omi!“, rief jetzt Frau Osterodes Enkelin. „Du willst doch wohl nicht sagen …“
„Doch!“, unterbrach sie die alte Dame. „Alle meine Rücklagen habe ich in diesem Sessel versteckt. In dem Sessel, auf dem dein Großvater immer gesessen hat. Und zwar in einem Lederbeutel in einer der Sprungfedern.“
In der Wohnung wurde es mit einem Mal mucksmäuschenstill.
„Oh nein, das ist doch nicht möglich“, hörten die Unsichtbar-Affen dann die junge Frau wimmern. „Alles in diesem Sessel, und wir haben ihn zu den Mülltonnen gestellt.“
„Ja, und da hat ihn die Müllabfuhr wohl mitgenommen“, schluchzte Frau Osterode. „Und jetzt ist er schon längst
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