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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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wozu?«
    Nun kam es zu einem drückenden Schweigen, denn Gendsi hatte unbewußt ein heikles Thema berührt. Der unglückselige Zeitungsartikel, der die Ansichten Prosperos recht genau wiedergab und sogar einige seiner Lieblingsmaximen zitierte, hatte im Klub einen regelrechten Sturm ausgelöst. Der Doge hatte jeden einem förmlichen Verhör unterzogen, um herauszufinden, ob einer geplaudert hatte, konnte aber keinen Informanten ermitteln.
    »Ich habe mit keinem Korrespondenten gesprochen!« sagte Prospero ärgerlich und wies auf die Anwärter. »Der Judas ist hier unter meinen Jüngern! Aus Eitelkeit oder für ein paar Silberlinge hat einer von ihnen mich und unsere ganze Gesellschaft dem Gespött der Menge preisgegeben! Gendsi, ich halte viel von Ihnen. Sie haben mich beeindruckt mit Ihren überdurchschnittlichen analytischen Fähigkeiten. Mit nur wenigen verstreuten Informationskrümeln sind Sie auf die Spur der ›Liebhaber des Todes‹ gekommen und haben herausgefunden, daß ich das Oberhaupt des Klubs bin. Vielleicht können Sie mir helfen, das räudige Schaf zu finden, das in meine Herde eingedrungen ist?«
    »Ich denke, das wird nicht schwer sein.« Gendsi überflog mit dem Blick die Gesichter der still gewordenen ›Liebhaber‹. » |100| Aber zuvor muß ich die Damen und Herren etwas besser kennenlernen.«
    Diese Worte, die ziemlich drohend klangen, mißfielen allen außerordentlich.
    »Aber beeilen Sie sich«, sagte Kriton auflachend. »Die Bekanntschaft könnte von kurzer Dauer sein, denn wir alle stehen am Rande des offenen Grabes.«
    Cyrano zog seine monumentale Nase in Falten und deklamierte giftig:
    Heimlich die Ermittlung führen,
    Den Verbrecher überführen
    Und ihn schicken aufs Schafott,
    Zu verhindern das Komplott.
    Selbst der steife Horatio, der Sänger der Prosektor-Kunst, der nicht eben oft den Mund auftat, entrüstete sich: »Schnüffelei und Spitzelei, das hat uns hier grade noch gefehlt!«
    Colombina wurde von Furcht ergriffen. Das war ja eine richtige Meuterei. Na, gleich würden die Aufrührer eine Abfuhr erhalten! Gleich würde Prospero über die Ungehorsamen einen glühenden Zornesausbruch hereinbrechen lassen!
    Aber der Doge schleuderte keine Blitze und fuchtelte nicht mit den Armen. Sein Gesicht war traurig, der Kopf sank auf die Brust.
    »Ich weiß«, sagte er leise. »Und ich habe es immer gewußt. Einer unter euch wird mich verraten.«
    Mit diesen Worten stand er auf und verschwand wortlos hinter der Tür.
    »Mein Lehrer! Solange ich hier bin, haben Sie nichts zu fürchten!« brüllte Caliban und warf dem in der Nähe stehenden Kriton einen solchen Haßblick zu, daß der ziegenbeinige |101| Prediger der leidenschaftlichen Liebe entsetzt zurückwich.
    Colombinas Herz krampfte sich vor Mitleid zusammen. Wenn sie den Mut gehabt hätte, wäre sie Prospero hinterhergelaufen. Er sollte wissen, daß zumindest sie ihn nie verraten würde!
    Aber die Tür fiel unerbittlich ins Schloß. Colombina wußte sehr wohl, was dahinter war: ein halbleeres Eßzimmer, dann ein geräumiges, mit massiven Möbeln ausgestattetes Kabinett und dahinter das Schlafzimmer, das ihr so oft nachts im Traum erschien. Aus dem Kabinett führte eine Tür in den Korridor, zum Ausgang. Auf diesem ruhmlosen Weg hatte Colombina schon zweimal das Gemach verlassen, niedergedrückt und ratlos.
    »Die Seance fällt wohl aus?« fragte Rosenkranz und klapperte enttäuscht mit den weißlichen Wimpern. »Aber der Doge hat doch gesagt, heute wär ein idealer Abend für ein Gespräch mit den Seelen Verstorbener. Sternklar, Vollmond. Ein Jammer, solche Chance zu verpassen.«
    »Was meinen Sie, meine Liebe?« sagte die Löwin der Ekstase zu Ophelia, liebevoll wie zu einem kleinen Kind. »Wir haben ja wirklich so auf den Vollmond gewartet! Was haben Sie für ein Gefühl? Wird es Ihnen gelingen, heute einen Kontakt zum Jenseits herzustellen?«
    Ophelia lächelte verwirrt und lispelte mit ihrem dünnen Stimmchen: »Ja, heute ist eine besondere Nacht, das spüre ich. Aber allein vermag ich nichts, jemand muß mich führen. Ich brauche einen ruhigen, sicheren Blick, der mich im Nebel nicht in die Irre gehen läßt. Solche Augen hat nur Prospero. Nein, meine Herrschaften, ohne ihn wird es nichts.«
    »Also gehen wir?« fragte Güldenstern. »Zu dumm. Vertane |102| Zeit. Hätt ich mich lieber aufs Seminar vorbereitet. Bald sind die Prüfungen.«
    Die Anwärter machten schon Anstalten aufzubrechen, aber da trat der Neue zu Ophelia, nahm ihre

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