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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Klysantemen. Wenn die nich gibt, gehen auch Anemonen.«
    »Und wenn sich einer den Bauch aufgeschnitten hat?«
    »Weiße Blumen, weil Weiß die ssönste und edelste Fabe ist.«
    Der Schlitzäugige legte wie betend die kurzfingerigen Hände zusammen. Sein Freund nickte beifällig.
    »Zwei Clowns«, sagte Colombina verächtlich, warf einen letzten Blick auf den Haken und ging.
    Wer hätte gedacht, daß sie den Stutzer aus Abaddons Wohnung neuerlich treffen würde, und nicht irgendwo, sondern im Hause Prosperos!
     
    Er sah beinahe so aus wie bei der ersten Begegnung: elegant, mit Stöckchen, nur waren Gehrock und Zylinder nicht schwarz, sondern aschgrau.
    |94| »Guten Tag, gnädiges F-Fräulein«, sagte er mit seinem charakteristischen leichten Stottern. »Ich möchte zu Herrn Blagowolski.«
    »Zu wem? Den gibt’s hier nicht.«
    Er konnte Colombinas Gesicht im Halbdunkel nicht sehen, aber sie hatte ihn sogleich erkannt, denn unter dem Dach der Vortreppe brannte ein Gaslämpchen. Und sie war höchlich verwundert. Hatte er sich in der Adresse geirrt? Welch sonderbarer Zufall!
    »Ach ja, bitte um Nachsicht.« Der Zufallsbekannte verbeugte sich scherzhaft. »Ich wollte sagen: zu Herrn Prospero. In der Tat, man hat mich strengstens darauf hingewiesen, daß es hier nicht üblich ist, sich mit dem richtigen Namen anzureden. Sie sind gewiß auch eine Zemphira oder Malwina?«
    »Ich bin Colombina«, antwortete sie unfreundlich. »Und wer sind Sie?«
    Er trat ein und konnte in der Diele die Dame betrachten, die ihm geöffnet hatte. Er erkannte sie, zeigte aber nicht die geringste Verwunderung.
    »Guten Tag, geheimnisvolle Unbekannte. So also trifft man sich wieder.« Er strich dem am Hals des Mädchens schlummernden Luzifer über das Köpfchen. »Grüß dich, mein Kleiner. Erlauben Sie mir, mich vorzustellen, Mademoiselle Colombina. Ich und der Herr Blago… das heißt, der Herr Prospero haben vereinbart, daß ich mich hier G-Gendsi nennen werde.«
    »Gendsi? Sonderbarer Name!«
    Sie begriff noch immer nicht, was dieses rätselhafte Erscheinen zu bedeuten hatte. Was hatte der Stotterer in der Wohnung des Selbstmörders gesucht? Und was suchte er jetzt hier?
    |95| »In uralten Zeiten gab es einen japanischen Prinzen, der so hieß. Er war stets auf der Suche nach starken Empfindungen, so wie ich.«
    Der ungewöhnliche Name gefiel ihr – Gendsi. Kein »Erlaucht« und nicht mal »Durchlaucht«, sondern wohl eher »Hoheit«. Colombina lachte sarkastisch auf, doch sie mußte einräumen: Der Stutzer hatte wirklich Ähnlichkeit mit einem Prinzen, wenn nicht mit einem japanischen, so doch mit einem europäischen, wie bei Stevenson.
    »Ihr Begleiter war Japaner?« fragte sie in plötzlicher Erleuchtung. »Der in der Basmannaja mit dabei war. Hat er deshalb dauernd von Samurais und vom Bauchaufschlitzen gesprochen?«
    »Ja, er ist mein Kammerdiener und mein engster F-Freund. Apropos, Sie hätten uns neulich nicht Clowns nennen dürfen.« Gendsi schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Masa hat vor dem Selbstmord größte Achtung. Ich übrigens auch. Sonst wäre ich ja wohl nicht hier, oder?«
    Colombina bezweifelte die Aufrichtigkeit dieser Behauptung – gar zu leichtsinnig war sie vorgebracht worden.
    »Es sieht nicht so aus, daß Sie es eilig haben, diese Welt zu verlassen«, sagte sie mit einem Blick in die ruhigen Augen des Besuchers.
    »Ich versichere Ihnen, Mademoiselle Colombina, ich bin ein unerschrockener Mensch und fähig zu außergewöhnlichen und sogar unvorstellbaren H-Handlungen.«
    Das war wieder so gesagt, daß Colombina nicht wußte, ob der Mann im Ernst sprach oder spöttelte. Aber da fiel ihr plötzlich ein, daß der Doge von einem »hochinteressanten Subjekt« gesprochen hatte, damit war das Erscheinen des »Prinzen« sofort erklärt.
    »Dann sind Sie wohl der Gast, von dem Prospero erzählt |96| hat?« rief Colombina. »Sie schreiben japanische Gedichte, nicht wahr?«
    Er verbeugte sich schweigend, als wollte er sagen: Ich bestreite es nicht, ich bin es. Da betrachtete sie den Stutzer mit anderen Augen. Sein Ton war wirklich obenhin, in den Mundwinkeln verbarg sich ein halbes Lächeln, aber die Augen blickten ernst. Jedenfalls hatte Gendsi mit einem müßigen Spaßvogel keinerlei Ähnlichkeit. Colombina fand endlich für ihn die passende Definition: »ein ungewöhnliches Exemplar«. Er war mit keinem der Anwärter zu vergleichen. Und überhaupt, solch ein Typ war ihr noch nie untergekommen.
    »Kommen Sie herein, wenn

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