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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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auf die Überschrift »Feuer ist rot«. Was da los war! Jetzt ist Gdlewski sich ganz sicher, daß der TOD ihm Zeichen sendet. Ungeduldig wartet er auf den dritten Freitag, um sich endgültig zu vergewissern und dann mit vollem Recht Hand an sich zu legen. Na, soll er warten, solche Zufälle wiederholen sich nicht dreimal hintereinander.
    |176| Wir gingen früh auseinander, um halb zehn, die ganze Zeremonie hatte höchstens zwanzig Minuten gedauert. Blagowolski, das läßt sich so sagen, drängte alle zur Tür hinaus und behielt nur Gdlewski da. Offensichtlich hatte er Angst um seinen Liebling bekommen und wollte ihn von seiner verderblichen Phantasie abbringen. Es wäre ein Jammer, wenn der neue Stern der russischen Poesie erlöschen müßte, ohne richtig aufgegangen zu sein. Immerhin gäbe es dann eine schöne Legende mehr: Wenewitinow, Lermontow, Nadson, Gdlewski. Der Tod eines jungen Talents ist immer schön. Das wird Sie aber nicht interessieren, darum komme ich nun zu meinem eigentlichen Bericht.
    Ihrer Bitte entsprechend, habe ich die Observierung begonnen. Dabei habe ich strikt Ihre Empfehlungen befolgt: mich zu Fuß bewegt, möglichst im Dunkeln und mindestens fünfzig Schritte Abstand gehalten; mit der Droschke den Abstand auf zweihundert Schritte vergrößert, sorgfältig Aufzeichnungen gemacht, dabei die Zeit vermerkt und so fort.
    Also.
    Auf dem Roshdestwenski-Boulevard hielt der Stotterer eine Droschke an und ließ sich zur Powarskaja, Ecke Borissoglebski-Gasse, fahren. In der Abendstunde ist alles weithin zu hören, und der Kutscher wiederholte laut die Adresse, was mir meine Aufgabe erleichterte. Ich bestieg die nächste Droschke und nannte gleich die angegebene Ecke, ohne mich mit der Verfolgung des Stotterers aufzuhalten, darum traf ich vor ihm dort ein. Ich versteckte mich in einem Torweg, von wo ich die Kreuzung gut überschauen konnte. Ich mußte höchstens zwei, drei Minuten warten.
    Der Stotterer (oder, um es mit dem bei Ihnen üblichen Terminus zu benennen, »das Objekt«) klopfte an die Tür eines Seitenflügels, der zu dem Haus Nummer achtzehn |177| gehörte, und trat ein. Ich dachte zunächst, er wohne dort und Ihr Auftrag sei somit ausgeführt. Doch nach einigem Überlegen kam mir das seltsam vor – weshalb sollte jemand an die eigene Haustür klopfen? Das wollte ich nachprüfen. Der Seitenflügel war ebenerdig und die Straße zu der späten Stunde menschenleer. Ich brauchte also nicht zu fürchten, die Neugier von Passanten wecken, als ich mir eine leere Kiste vom Kramladen griff, darauf stieg und durch einen Gardinenspalt in das beleuchtete Fenster spähte.
    Der Stotterer saß mit einer schwarzgekleideten alten Dame am Tisch. Da sein Zylinder und die Handschuhe neben ihm lagen, wußte ich, daß er nur zu Besuch hier war und offensichtlich nicht für lange. Das Gespräch konnte ich nicht hören. Der Stotterer schwieg meistens und nickte nur manchmal, dafür redete die Dame ununterbrochen, sah ihn immer wieder beflissen an und wischte mit einem Tüchlein unentwegt die verweinten Augen. Ein paarmal stellte er ihr kurze Fragen. Sie antwortete bereitwillig. Dabei machte sie eine Miene, als fühle sie sich schuldig und wolle sich rechtfertigen. Endlich stand der Stotterer auf und ging hinaus, dabei hinterließ er auf dem Tisch einen Geldschein, den die Hausfrau gierig an sich nahm und hinter einem Bild an der Wand versteckte.
    Um nicht entdeckt zu werden, sprang ich von der Kiste und verbarg mich hastig hinter einem Baum. Den Wagen hatte ich nicht weggeschickt, sondern hinter der Ecke warten lassen. Und das war richtig gewesen, denn so spät abends ist es nicht einfach, eine Droschke zu finden.
    Der Stotterer zum Beispiel mußte ganze acht Minuten auf dem Gehsteig warten, bevor er weiterfahren konnte. Ohne meine Vorsorge hätte ich die Observierung hier abbrechen müssen.
    |178| Ich ließ den Kutscher Abstand halten und nur dann das Tempo beschleunigen, wenn die Kutsche vor mir um eine Ecke gebogen war. Wir fuhren auf die Sadowaja, wo der Abstand größer sein konnte, und es ging sechsundzwanzig Minuten geradeaus, dann bogen wir in die Basmannaja ein. Vor einem neuen vierstöckigen Haus (5b) stieg der Stotterer aus. Ich dachte, jetzt sei er zu Hause angekommen, aber gleich wurde klar, daß ich mich wieder irrte. Diesmal hieß er den Kutscher warten. Ich fuhr bis zur nächsten Biegung und befahl meinem Kutscher, ebenfalls zu warten.
    Die Haustür war verschlossen, doch der Stotterer weckte den

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