Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone

von seinem früheren Mentor, dem damaligen Ersten Lordmagier des Ordens des Silbernen Kreises, geschenkt, als er dessen Nachfolge antrat. Das war aber schon vor meiner Zeit im Orden. Seit ich Dunholm kenne, hat er ihn jedenfalls stets als eine Art Symbol der Verantwortung und Würde seines Amtes getragen. Viele dachten, er würde den Ring irgendwann seinem Nachfolger vermachen.« Die Mundwinkel des Magiers zuckten. »Wie Sie sehen, liegt noch Großes vor Ihnen.«
    Als er Jonathans erschrockene Miene sah, mischte Randolph sich ein. »Keine Angst. Holmes erlaubt sich nur einen Scherz mit Ihnen. Der Erste Lordmagier wird nach wie vor gewählt, nicht durch ein Schmuckstück bestimmt.«
    »Brown, Sie sind ein Spielverderber«, beschwerte sich Holmes, wurde dann aber wieder ernst. »Zugegeben, er hat recht. Doch auch wenn Sie durch den Ring nicht zum nächsten Lenker der Geschicke des Ordens berufen sind, ist er nicht ohne Bedeutung. Er stellt zweifellos ein machtvolles magisches Artefakt dar, wahrscheinlich das stärkste in den Reihen des Ordens. Viele verbinden ihn mit den Tugenden Dunholms, und als sein neuer Träger werden Sie unter den Anhängern Dunholms ebenso rasch Freunde finden wie unter seinen Rivalen Gegner. Ob der Ring hingegen darüber hinaus irgendein Geheimnis birgt, etwa irgendein Wissen um einen verborgenen Schatz des Ordens, auf den man nur mit seiner Hilfe Zugriff bekommt, vermag ich nicht zu sagen.«
    »Können Sie mir zeigen, wie ich mir seine Kraft nutzbar machen kann?«, fragte Jonathan. »Unbewusst habe ich das wohl schon getan.« Er dachte an den Zwischenfall mit der Motorkutsche. »Aber werde ich auch bewusst dazu imstande sein …« Er zögerte, denn sein Verstand tat sich noch immer schwer damit, die Folgen und die Bedeutung all dessen, was er jetzt gehört hatte, zu akzeptieren.
    »… Magie zu wirken?«, beendete Holmes den Satz für ihn. »Natürlich. Da Sie Dunholms Ring tragen, besitzen Sie ja schon die Kraft dazu, und die wird in den nächsten Tagen und Wochen sogar noch stärker werden. Den Umgang damit müssen Sie jedoch erlernen wie jede andere Fertigkeit auch. Ich hoffe, Sie haben flinke Finger.« Er warf einen Blick auf Jonathans Hände.
    »Ich bin leidlich gut auf der Schreibmaschine«, sagte Jonathan.
    Holmes’ Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln. »Nicht ganz, was ich meinte, aber ein Anfang. Alles Weitere wird sich weisen. Aber nicht heute. Die Zeit verrinnt, und ich beginne Schlafmangel und Alkohol zu spüren. Wir sollten, bevor mein Geist so sehr in metaphorische Watte eingehüllt ist, dass ich zu keinem klaren Gedanken mehr fähig bin, die Theorie einstweilen ruhen lassen und uns dem zweiten Rätsel widmen, das Sie zu mir getrieben hat.«
    Randolph ließ ein Knurren hören. »Dunholms Ermordung.«
    »Was wissen wir eigentlich darüber?«, fragte Jonathan. »Wir kennen das Wann und das Wo. Und ich weiß, dass er in der Nacht von Ihrem Bekannten Grigori und ein paar anderen Magiern abgeholt wurde.«
    »Woher haben Sie das denn?«, fragte Randolph verwundert.
    »Ich habe den richtigen Leuten die richtigen Fragen gestellt. Das macht man so als Journalist«, erwiderte Jonathan.
    »Nun, es ist wahr. Wir haben Dunholm geborgen, nachdem einem unserer Magispectoren …«
    »Burschen, die ihre Augen nach ungewöhnlichen magischen Ereignissen offen halten«, warf Holmes erklärend ein.
    » … nachdem einem unserer Magispectoren ein Kampf in der Nähe des Smithfields aufgefallen war«, beendete Randolph den Satz.
    »Also haben Sie alle Spuren verwischt«, mutmaßte Jonathan.
    Randolph nickte. »Es ist einer der Grundsätze des Ordens, dass wir unsere Probleme ohne Einmischung von außen lösen. Die Menschheit soll nicht mehr als unbedingt nötig über das Wirken der Magie in der Welt erfahren.«
    »Aber warum?«
    »Weil das ein reines Chaos wäre«, sagte Holmes. »Zumindest glauben das die konservativen Kräfte unter den Ordensmitgliedern, deren Kopf Dunholm war. Würde sich die Magie unkontrolliert ausbreiten und würden mehr und mehr Menschen die Fähigkeit erlangen, ihre Umwelt magisch zu verändern, hätte das ein Chaos zur Folge, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Die Machtgelüste, Begehrlichkeiten und wahnhaften Anfälle der Menschen wären dabei noch das geringste Übel.«
    »Wo Sie gerade davon sprechen: Ist Ihnen auch schon aufgefallen, Holmes, dass das Fadenwerk seit Kurzem ungewöhnlich lebendig ist?«, fragte Randolph.
    Holmes’ Miene hellte sich auf.