Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
seine Mütze. »Ich möchte Sie nur kurz darüber informieren, dass wir in Beattock einen längeren Halt einlegen müssen.«
Kendra wusste nicht, weshalb, aber irgendwie hatte sie es kommen sehen. Eine Reise ohne Zwischenfälle wäre ja auch zu schön gewesen. Ihr Großvater seufzte nur. Die alte Weisheit, dass man den Tag besser nicht vor dem Abend loben solle, bewahrheitete sich immer wieder. »Und wie lange dauert ein längerer Halt ?«, fragte Giles.
»Mindestens ein bis zwei Stunden. Vielleicht können wir auch gar nicht weiterfahren, sondern müssen Kutschen für die Weiterreise organisieren«, erklärte der Schaffner.
»Was ist denn geschehen?«, hakte Kendra nach.
»Das wissen wir leider selbst noch nicht genau, meine Dame«, erwiderte der Schaffner. »Wir sind gerade erst vom Bahnhofsvorsteher unterrichtet worden. Es scheint, dass auf der Höhe von Lockerbie ein Güterzug und ein Personenzug aus London verschwunden sind. Außerdem meldet sich die Stadt nicht mehr auf telegrafische Anfragen. Es soll daher zunächst ein Streckenprüfer vorgeschickt werden, um herauszufinden, was los ist.«
Kendra warf ihrem Großvater einen alarmierten Blick zu. Der nickte unmerklich. Genau wie sie schien er die Sorge zu hegen, dass es sich hier um ein weiteres Phänomen handelte, das der zunehmenden Unruhe in der Magie geschuldet war.
»Lassen Sie uns mit dem Mann mitfahren«, bat Giles.
Der Schaffner schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, das geht nicht. Wir wissen nicht, was in Lockerbie vorgefallen ist. Und solange das nicht klar ist, bleiben wir alle hier. So hat der Lokführer entschieden.«
»Wir könnten dem Mann helfen. Es kann gut sein, dass …« Giles verstummte.
»Dass was?«, fragte der Schaffner.
»Nichts. Schon gut. Wir beugen uns der Entscheidung des Lokführers«, sagte Kendras Großvater leise.
»Und Sie tun gut daran. Wir wissen schon, was unternommen werden muss. Bitte entschuldigen Sie die Verzögerung. Sollten Sie später noch Wünsche haben, stehe ich Ihnen gerne zu Diensten.« Der Schaffner tippte ein weiteres Mal an den Schirm seiner Mütze und ging zum nächsten Abteil weiter, um dort erneut sein Sprüchlein aufzusagen.
»Wieso hast du nachgegeben?«, fragte Kendra.
Ihr Großvater zuckte matt mit den Schultern. »Hätte ich dem Mann sagen sollen, dass sich ihr Streckenprüfer höchstwahrscheinlich einem Problem gegenübersehen wird, das übernatürlichen Ursprungs ist, und dass nur wir etwas dagegen ausrichten können, weil wir zufällig Magier sind? Ich hätte genauso gut behaupten können, wir seien Agenten Ihrer Majestät, und Lockerbie sei der Geheimwaffe einer ausländischen Macht zum Opfer gefallen. Nein, das bringt nichts. Wir müssen uns selbst helfen.«
»Was hast du vor?«
In den Augen ihres Großvaters funkelte es. »Das wirst du gleich sehen.«
20. April 1897, 14:16 Uhr GMT
Schottland, Beattock, im Zug von Glasgow nach London
Jack MacNaghton war kein sonderlich geduldiger Mensch. Darüber hinaus reiste er auch nicht gerne. Er wurde immer unruhig, wenn er gezwungen war, sein Revier im East End von Glasgow zu verlassen. Leider hatte er Fergusson schlecht widersprechen können, als dieser ihm befahl, den Greis und seine blutjunge Begleiterin im Auge zu behalten, bis diese in London eintrafen. Fergusson war der Boss. Er schaffte die Aufträge ran, die sie beide über Wasser hielten. Daher stand es ihm auch zu, die Arbeit zu verteilen.
Jack war also bereits keineswegs bester Stimmung gewesen, als der Express plötzlich in Beattock einfach stehen geblieben war und ein uniformierter Geck, der sich Schaffner schimpfte, ihm mitgeteilt hatte, dass sich an diesem Zustand einstweilen auch nichts ändern würde. Zwar saßen sie jetzt erst seit einer guten halben Stunde fest, aber für den schottischen Magier fühlte es sich schon an wie eine halbe Ewigkeit.
Um sich abzulenken, wechselte Jack in die Wahrsicht und schickte einen Spürfaden zu dem Abteil den Gang hinunter, in dem dieser McKellen und dessen Enkelin saßen. Er wollte es nicht übertreiben, denn dass beide Magier waren, hatten Fergusson und er schon auf dem Bahnsteig bemerkt. Obendrein schienen sowohl der Alte als auch das Mädchen stärker zu sein als er selbst, ein Umstand, der Jack durchaus ärgerte. Dass ein siebzigjähriger Greis mit seiner lebenslangen Erfahrung versierter war als er, der mehr als dreißig Jahre jünger war, mochte ja noch angehen. Aber dieses Kind war kaum volljährig, und sosehr Jack die Reize
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