Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
Körper.
»Ich bin erfüllt von Magie …«
Das Gefühl des Erschauerns hielt an, und es wurde zu einem Prickeln, das sie von Kopf bis Fuß erfüllte. All ihre Sinne schienen mit einem Mal übernatürlich geschärft. Das Gras, der Windhauch, das Schlagen winziger Wellen des Waldsees an sein flaches Ufer, das Flüstern der Baumkronen, ja selbst das kühle Licht des Mondes, das vom sternenklaren Himmel auf sie herabschien – all dessen war sie sich bewusst. Sie spürte es, sie hörte es …
»Ich bin eins mit der Magie …«
Sie öffnete die Augen, und dann sah sie es auch.
Die Welt, wie Kendra sie für gewöhnlich wahrnahm, war verschwunden. An ihre Stelle war eine höhere Wirklichkeit getreten, ein wundersames, wundervolles Chaos aus gleißenden Strömen und funkelnden Strängen, die sich, tausendfach verästelt und in ständiger Bewegung begriffen, vom Himmel zur Erde, vom Wind zur Wasseroberfläche, von Baumstamm zu Baumstamm zogen. Zu ihren Füßen glitzerte ein Teppich aus Gespinst, das, hauchzart wie Spinnweben in der Morgendämmerung, Grashalm mit Grashalm verband. Und Kendra selbst befand sich im Zentrum dieses atemberaubenden Schauspiels, ein von zuckenden Lichtfäden umspielter Körper, der von einem Kranz weit ausgreifender leuchtender Arme umgeben war, deren entstofflichte Finger beiläufig über die Landschaft glitten, die hinter diesem Schleier aus pulsierenden magischen Energien mehr zu erahnen denn zu sehen war.
»Ich bin eins mit der Magie«, flüsterte sie, während sie ihre Arme und Hände langsam durch die Luft bewegte. Für einen Außenstehenden mochte der Eindruck erweckt werden, sie dirigiere ein unsichtbares und unhörbares Orchester, doch in Kendras Ohren rauschten, brummten und flirrten die magischen Energien in einer Ode an das Leben selbst. Sie fühlte ein Jauchzen der Begeisterung in ihrer Kehle aufsteigen, und als es ihr über die Lippen kam, sandte es zitternde Wellen in die magische Sphäre, die sie umgab.
Kendra fiel auf, dass die Magie in dieser Nacht außergewöhnlich stark war. An den Stämmen der Bäume züngelten glitzernde Flammen empor, und ihr schien es, als sei das sanfte Rauschen im Geäst nicht dem Wind geschuldet, sondern einer eigentümlichen Belebung der Bäume selbst. Auch das Gras schimmerte vor magischen Energien. Von den Spitzen der dünnen Halme tasteten winzige, helle Fühler zitternd in die Luft hinaus, als versuchten sie zu begreifen, welch größere Welt um sie herum existierte. Beinahe zögernd berührten sie dabei Kendras nackte Haut und verursachten ein kaum wahrnehmbares Kitzeln.
Am auffälligsten aber zeigte sich die Unruhe der magischen Energien an der Oberfläche des Waldsees. Was zuvor nicht mehr als ein leichtes Kräuseln des Wassers gewesen war, bot sich ihr unter dem Eindruck ihrer erweiterten Sinne als ein wütendes Brodeln dar, das irgendwo tief unten, am Grund des Sees, seinen Ursprung zu haben schien.
Es zog sie in dieses Brodeln hinein, ohne dass sie sich dessen wirklich bewusst gewesen wäre. Das Funkeln der Energien spiegelte sich in ihren weit geöffneten Augen wider, und das Summen der Magie drang sirenengleich an ihre Ohren. Sie wusste, dass in diesem Wasser, in dem sie unzählige Male gebadet hatte, ohne mehr als das kühle Nass auf ihrer Haut zu spüren, etwas Machtvolles auf sie wartete, eine tiefe Kraft, um deren Quelle sie bislang stets nur herumgestrichen war, wie eine neugierige Katze um eine Schale mit süßem Rahm.
Beinahe ohne ihr Zutun kam sie auf die Beine und trat langsam aus dem Kreis hinaus, den sie zuvor errichtet hatte. Dem Buch ihrer Mutter zufolge machte dieser Akt jedes zuvor begonnene Ritual zunichte. Kendra allerdings kümmerte das nicht, denn das, was dort im See brodelte, war größer als jeder von Menschengeist ersonnene Zauber. Schritt für Schritt näherte sie sich dem Seeufer, glitt die flache Böschung hinunter und ins Wasser hinein, das ungeachtet der Jahreszeit überhaupt nicht kalt war, sondern angenehm warm, wie nach einem langen Sonnentag im Hochsommer.
Rasch reichte ihr das Wasser von den Knien über die Hüfte bis zur Brust. Direkt vor Kendras staunenden Augen gurgelte und gluckerte das Wasser, und dicke Stränge ungezügelter Magie brachen durch die Seeoberfläche. Dort unten , flüsterte es in ihrem betäubten Geist. Dort unten liegt die Quelle der Magie. Sie holte noch einmal tief Luft, schloss die Augen und versank.
kapitel 3: vier begegnungen
nach mitternacht
»Wien. In wenigen
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