Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
Ordens die Möglichkeit hatten, dem Ersten Lordmagier die letzte Ehre zu erweisen, bevor dieser in aller Stille verbrannt und seine Asche an einen geheimen Ort außerhalb Londons gebracht wurde – ganz so, wie es, Drummond zufolge, Dunholms Wunsch gewesen war.
Randolph konnte Dunholms Vorsicht gut verstehen. Es ließ sich viel Schändliches mit dem Körper eines toten Magiers anstellen, vor allem, wenn er derart von den Energien der Magie gesättigt war, wie es beim Ersten Lordmagier von London der Fall war. Vom Aufbewahren kleiner Knochenreste zu hellseherischen Zwecken über das Beimischen der Asche in irgendwelche obskuren Krafttränke bis hin zum Verspeisen einzelner Leichenteile, um die Kraft des Toten in den eigenen Körper aufzunehmen, hatte Randolph schon von genügend abartigen Ritualen aus aller Welt gehört, dass auch er hoffte, unter Umständen ums Leben zu kommen, die seine sterblichen Überreste für Leichenräuber gänzlich unbrauchbar machten. Er glaubte zwar nicht, dass es hier im Orden kranke Seelen gab, die solch widerwärtige Praktiken betrieben, aber ganz sicher war er sich nicht mehr seit dem Aufkommen von Wellingtons Neuer-Morgen-Bewegung, der es vor allem darum ging, so viel magische Macht wie nur möglich anzuhäufen.
Ich werde mit Drummond dafür sorgen, dass Ihnen nicht noch mehr Unrecht angetan wird, als es schon geschehen ist , schwor sich Randolph und blickte zur Seite, weil er es einfach nicht länger ertrug, in Dunholms unbewegtes, lebloses Gesicht zu schauen.
Dennoch war er dankbar dafür, dass er diese Gelegenheit bekam, wertvolle letzte Augenblicke ungestört mit seinem Mentor und Ziehvater verbringen zu können. Am Morgen hatte er als Erstes Nevermore angewiesen, ein Auge auf den jungen Mann namens Jonathan zu haben, von dem er mittlerweile wusste, dass sein Nachname Kentham lautete. Er selbst hatte danach die Wohnung von Holmes aufgesucht, nur um von dessen Butler zu erfahren, dass der exzentrische Magier bis zum Abend außer Haus sei. Also hatte er sich wieder in der Guildhall eingefunden, wo er seltsam ruhelos durch die Gänge gewandert war, bis er schließlich erkannt hatte, woher dieses Gefühl rührte. Es wurde nicht nur dadurch genährt, dass er bis zu Holmes’ Rückkehr zur Tatenlosigkeit verdammt war, sondern kam auch daher, dass er sich in der Nacht zuvor nicht wirklich von Dunholm hatte verabschieden können. Das holte er nun nach.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Doktor Westinghouse, der nicht zugegen gewesen war, als Randolph eingetroffen war, kam herein. »Mein Beileid, mein Freund«, sagte der grauhaarige Mann leise, als er neben Randolph trat.
Der Arzt wusste, wie nah der Lordmagier und sein Bediensteter sich gestanden hatten, und so klopfte er Randolph mitfühlend auf die Schulter und schüttelte dann den Kopf. »Eine Schande ist das, eine wirkliche Schande. Beten wir, dass der oder die Übeltäter gefunden und der gerechten Strafe zugeführt werden.«
»Haben Sie noch irgendetwas herausgefunden, Doktor?«, fragte Randolph dumpf, ohne den Arzt anzublicken.
»Nun ja«, Westinghouse räusperte sich, »dass er vor seinem Tod in einen Kampf verwickelt war und am Ende mit zwei Schüssen hinterrücks niedergestreckt wurde, wissen Sie ja schon. Es ist übrigens gut möglich, dass er seinen Mörder noch gesehen hat, denn in seinem Oberschenkel steckte eine dritte Kugel, die von vorne eingedrungen war. Alle Anzeichen weisen darauf hin, dass dieser Schuss aus nächster Nähe abgefeuert wurde. Leider vermag ich nicht zu sagen, in welcher Reihenfolge die Schüsse fielen. Hat der Erste Lordmagier mit seinem Mörder gesprochen, wurde unvermittelt von diesem angeschossen und danach auf der Flucht erledigt? Oder wurde er zuerst in den Rücken getroffen, wandte sich um und erhielt dann noch eine dritte Kugel ins Bein?«
»Einerlei«, brummte Randolph, »so oder so handelt es sich bei dem Täter um einen skrupellosen Mistkerl.«
»Zweifellos«, stimmte ihm der Doktor zu. »Eines hat mich noch stutzig gemacht. Sehen Sie her, Randolph.« Er bedeutete dem Kutscher, ihm zu einem Tisch zu folgen, auf dem eine silberne Petrischale mit den Kugeln stand, die er aus Dunholms Körper hervorgeholt hatte. Mit einer Pinzette hob er eines der blutverschmierten Geschosse in die Höhe und hielt es Randolph vor die Nase.
»Was ist damit?«, fragte dieser.
»Diese Kugeln sind seltsam«, erklärte Westinghouse und drehte das metallene Objekt im Licht der Gaslampe, die über
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