Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
vermochten, ist alles andere als genau.«
»Es war dunkel, und ich war furchtbar aufgeregt«, verteidigte sich Jonathan.
Der Mann winkte ab. »Schon gut, schon gut. Was ich damit sagen will, ist, dass Sie nicht zu große Hoffnungen hegen sollten. Eine Tat ohne Opfer lässt sich nur schwer zurückverfolgen. Sie müssen nämlich wissen, dass die Sache mit der Verbrechensaufklärung kein so leichtes Spiel ist, wie es uns diese illustrierten Magazine mit ihren Wunderdetektiven immer wieder weiszumachen versuchen. Es gehört mehr dazu, als …«
Die Stimme des Wachhabenden trat in den Hintergrund, als Jonathans Aufmerksamkeit plötzlich von dem großen schwarzen Vogel abgelenkt wurde, der vor dem Fenster aufgetaucht war und neugierig ins Innere der Wache schaute. Es handelte sich um einen Kolkraben, und er hatte sich auf einer der beiden Laternen mit der Aufschrift »Polizei« niedergelassen, die an verzierten gusseisernen Haltern links und rechts vom Eingang der Wache am Mauerwerk befestigt worden waren. Als sein Blick auf Jonathan fiel, legte er den Kopf schief.
Eine Erinnerung stieg in Jonathans Gedächtnis auf: ein humpelnder Mann in einem langen Mantel, der eine nächtliche Straße hinunterlief und zu dem sich ein großer schwarzer Vogel gesellte. War es möglich, dass …?
»Sie haben sicher recht mit all dem, was Sie sagen«, unterbrach Jonathan den Monolog des Wachhabenden. »Und ich habe vollstes Verständnis dafür, sollten Ihre Bemühungen letztendlich im Sande verlaufen. Ich wünschte, ich hätte Ihnen mehr zu Diensten sein können, aber ich hielt es zumindest für meine Bürgerpflicht, Ihnen auch nur das wenige, das ich weiß, mitzuteilen.« Er erhob sich, wobei sein Blick immer wieder zum Fenster huschte. »Wenn Sie mich nun entschuldigen würden. Ich muss jetzt zur Arbeit. Sollten Sie den Mann finden, wäre ich sehr dankbar, wenn Sie mich benachrichtigen würden. Meine Adresse haben Sie ja.«
»Nun … äh … selbstverständlich«, sagte der Wachhabende leicht konsterniert. Auch er stand auf und zog mit einem Räuspern seine dunkelblaue Uniformjacke straff. »Sie können dann gehen. Sollten wir noch Fragen haben, werden wir uns bei Ihnen melden, Mister Kentham.«
Jonathan nickte, nahm seinen Hut, grüßte zum Abschied und verließ die Wachstube. So schnell wie möglich – ohne den unvorteilhaften Eindruck zu erwecken, er befände sich auf der Flucht – eilte er die Holztreppe zum Ausgang hinunter und trat vor die Tür. Sein Blick huschte hinauf zu der Laterne. Der Rabe war verschwunden. Jonathan suchte die Fassaden und Dachfirste der umliegenden Häuser ab, aber auch dort fand sich keine Spur von dem Vogel. Und auch der Mann namens Randolph, der ihm gestern so selbstlos zu Hilfe geeilt war und den er in Begleitung des Tieres anzutreffen gehofft hatte, ließ sich nirgendwo blicken.
Seufzend setzte Jonathan seinen Hut auf und schob die Hände in die Hosentaschen. Vielleicht hatte ihm seine überreizte Fantasie ja auch einen Streich gespielt, und er hatte zu viel in das Auftauchen eines gewöhnlichen Vogels hineingelesen.
Jenseits des Holborn Viadukts schlug die Kirchturmglocke von St. Andrews zur Mittagsstunde. Es wurde wirklich höchste Zeit, dass er sich zum Strand begab.
kapitel 5: magische und andere probleme
»Berlin. Es kann nicht bezweifelt werden, dass der Besuch von Sr. Majestät Kaiser Wilhelm II . bei Sr. Majestät Kaiser Franz Joseph I. direkt mit der bevorstehenden Reise des österreichischen Monarchen nach St. Petersburg zusammenhängt. Ist die Zeit reif für einen neuen Dreikaiserbund? Werden der Dreibund zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und dem Königreich Italien sowie die französisch-russische Entente bald Geschichte sein?«
– Frankfurter Zeitung, 19. April 1897
19. April 1897, 12:10 Uhr GMT
England, London, Fleet Street
Weil die Stadtbahn praktisch direkt vor seiner Nase hielt, fuhr Jonathan eine Haltestelle gen Süden in Richtung Themse, stieg am Ludgate Hill wieder aus und spazierte dann die geschäftige Fleet Street hinunter, die hier ihren Anfang nahm und weiter westlich in den Strand überging. Der Himmel, der, als Jonathan am Morgen das Haus verlassen hatte, noch von schweren grauen Wolken verhangen gewesen war, hatte sich ein wenig aufgeklart, und eine wärmende Sonne lugte freundlich durch die Wolkenlücken. Für einen Apriltag in London war das Wetter durchaus gut zu nennen, und entsprechend gut gelaunt wirkten die meisten Passanten – in
Weitere Kostenlose Bücher