Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
Tag legte, und dies, obwohl er noch einen Koffer mit Kleidung – oder was immer er mit sich führte – zu tragen hatte. »Müssen wir uns so beeilen?«, fragte sie. »Geht die Welt unter, wenn wir eine Stunde später in … wohin wir auch immer wollen … eintreffen?«
Giles warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, und auf seiner Stirn entstand eine steile Falte. »Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht«, sagte er ernst. »Ich möchte jedenfalls so schnell wie möglich in London sein, und wir beeilen uns deshalb so sehr, damit wir vor vier in Bridge of Orchy sind, von wo aus um diese Uhrzeit ein Zug nach Glasgow abfährt. Dort können wir dann in einen Express nach Süden umsteigen.«
»Ist das denn der einzige Zug, der heute fährt?«, wollte Kendra wissen.
»Nein. Es fahren zwei Züge pro Tag. Einer morgens um zehn und einer nachmittags um vier«, erwiderte ihr Großvater. »Das heißt, wenn wir den Zug heute verpassen, müssen wir bis morgen bleiben und verlieren einen halben Tag.«
»Ich verstehe«, sagte Kendra. »Trotzdem brauche ich ein paar Minuten Rast.«
Giles grunzte. »Ein paar Minuten haben wir.« Er zog ein kleines, in braunes Leinen gebundenes Buch aus seiner Jacke, schlug es auf und begann ohne ein weiteres Wort zu lesen.
Kendra rutschte von dem Findling hinunter ins Gras, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und schloss die Augen.
Viel gab es ohnehin nicht zu sehen. Sie hatten es sich wenige Schritte abseits der Straße, bei einer Steingruppe, bequem gemacht. Zur Linken und zur Rechten erhoben sich die niedrigen Bergketten der Highlands, deren zerfurchte Kuppen von zahllosen kleinen Schneefeldern bedeckt waren, wie ein nachlässig mit Puderzucker bestreuter Napfkuchen. Ein dichter Teppich aus Heidekraut, saftigem Gras und niedrigen Büschen bedeckte ihre Flanken und das zu ihren Füßen liegende Hochland, sodass die Berge von ferne aussahen wie große moosbedeckte Steine. Schmale Rinnsale ergossen sich von den Bergflanken ins Tal hinab, wo sie sich zu gurgelnden Bächen vereinten, die sich zwischen Findlingen und Sträuchern ihren Weg durch das dichte Grün suchten. Bäume gab es hier keine, nichts, worunter man bei einem Unwetter oder vor der prallen Mittagssonne hätte Schutz suchen können. Glücklicherweise war der Himmel im Augenblick von einer flockigen Wolkendecke bedeckt, und eine frische Brise wehte von Westen herüber.
Schweigend saßen sie eine Weile nebeneinander. Ab und zu vernahm Kendra das Rascheln von Papier, wenn ihr Großvater eine Seite umblätterte. Von irgendwoher talabwärts drang der klagende Ruf eines Moorhuhns zu ihnen herüber. Und sowohl in ihrem Rücken als auch vor ihnen, auf der anderen Seite der Straße, strömte leise plätschernd ein Bach dahin. Eine friedvolle Ruhe ging von der Landschaft aus, und Kendra genoss jeden Augenblick. Mit dem Frieden und der Ruhe würde es noch früh genug vorbei sein.
Nach ein paar Minuten öffnete sie blinzelnd die Augen und stand auf. »Ich laufe noch rasch zum Bach hinüber, um meine Füße zu kühlen. Danach können wir weiterziehen«, verkündete sie.
Ihr Großvater nickte, ohne von seinem Buch aufzublicken. »Lass dir nicht zu viel Zeit!«
»Keine Sorge.« Kendra umrundete die Steinbrocken, auf denen sie sich niedergelassen hatten, und lief zwischen niedrigen Büschen hindurch auf das Geräusch fließenden Wassers zu, das sie in ihrem Rücken vernommen hatte.
Der Bach war so schmal, dass man ihn mit einem kräftigen Sprung leicht überwinden konnte, und er war kaum mehr als zwei Handbreit tief. Er floss in einem flachen Steinbett, das von dichtem Gras und Heidekraut gesäumt wurde. Blühende Disteln bildeten violette Tupfen in dem satten Grün.
Kendra schlüpfte aus Schuhen und Strümpfen, setzte sich an die Böschung und ließ ihre Füße ins kühlende Nass gleiten. Obwohl das Wasser wirklich eiskalt war, kam es ihr wie eine wahre Wohltat vor, und sie beugte sich vornüber, um ihre Waden zu benetzen und die Schwere aus ihren Beinen zu vertreiben.
In diesem Augenblick hörte sie das Geräusch. Es klang wie ein feines, leises Lachen, als würden eine halbe Meile flussabwärts Kinder spielen. Verwirrt stand Kendra auf, um sich umzuschauen. Außer ihrem Großvater, der noch immer in sein Buch vertieft war und das Geräusch offenbar nicht gehört hatte, war niemand zu sehen.
Kendra zuckte mit den Schultern. Ihre Sinne mussten ihr einen Streich gespielt haben. Sie wollte gerade ihre
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