Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
her.
Vielleicht zwanzig Schritt die Straße hinab blieb die Kutsche stehen, und es war Kendra, als sacke Giles McKellen ein wenig in sich zusammen. Schwerfällig stieg er vom Kutschbock herunter und blickte zu seiner Enkelin zurück. Einige bange Herzschläge lang sprach keiner der beiden ein Wort. »Es ist deine Mutter«, sagte er dann so leise, dass sie ihn beinahe nicht verstanden hätte.
»Was?« Verwirrt blinzelte Kendra die Tränen aus den Augen. Zögernd kehrte sie zu der Kutsche zurück. »Wie meinst du das?«
Mit einem Seufzen ließ sich ihr Großvater auf die schmale Ladefläche sinken, und Kendra setzte sich zu ihm. Behutsam ergriff er ihre Hand – das erste Mal seit Jahren – und drückte sie mit seinen schwieligen Fingern. Kendra spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals klopfte. Was immer er im Begriff war, ihr zu beichten, es musste ihn schon seit geraumer Zeit beschäftigen.
»Kendra, ich …«, begann Giles McKellen, nur um gleich darauf wieder abzubrechen. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
»Am Anfang?«, schlug sie ihm zaghaft vor.
Er schnaufte leise. »Wenn du wüsstest, wie weit ich dafür zurückgehen müsste …« Er verstummte erneut und schien nachzudenken. Schließlich sagte er leise: »Erinnerst du dich an die Nacht, in der deine Eltern starben?«
Kendra nickte, auch wenn sie nur bruchstückhafte Bilder jener Nacht im Kopf hatte. Sie war damals noch ein Kind gewesen, kaum älter als sieben Jahre. Ein lauter Schlag hatte sie aus dem Schlaf gerissen. Regen hatte aufs Dach geprasselt und ein kräftiger Wind die hölzernen Fensterläden klappern lassen. Dann hatte sie plötzlich Rauch gerochen und einen Lichtschein unter dem Türrahmen bemerkt. Als sie die Tür zum Flur geöffnet hatte, um nach ihren Eltern zu rufen, war ihr ein Inferno entgegengeschlagen. Vor Schreck schreiend und weinend war sie zum Fenster hinausgeflohen, und im strömenden Regen auf der Wiese vor dem Haus stehend, hatte sie, barfuß und nur mit ihrem dünnen Nachthemd bekleidet, zugesehen, wie ihr Heim von den tosenden Flammen verschlungen worden war. Sie hatte nach ihrem Vater und ihrer Mutter gerufen, James und Ellie McKellen, doch keine Antwort erhalten. Irgendwann waren die Nachbarn gekommen, die, da das Haus eine halbe Meile außerhalb des Dorfs lag, das Feuer erst spät bemerkt hatten, und schließlich auch ihr Großvater. Blitzschlag, hatte es später geheißen. Von James und Ellie McKellen hatte man nur verkohlte Überreste gefunden. Giles hatte sie vollends einäschern lassen und die Urnen mitgenommen. Und Kendra war zu Onkel Callum gekommen. Es hatte sich wie das Ende ihrer Kindheit angefühlt.
»Es war kein Blitz«, fuhr ihr Großvater mit rauer Stimme fort. »Es war eine magische Explosion.«
Kendras Mund öffnete sich, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Obwohl sie über den Tod ihrer Eltern lange hinweg war, verspürte sie einen schmerzhaften Stich in der Magengrube.
Ein kummervolles Lächeln trat auf Giles’ Gesicht. »Da wären wir also. Bei dem Gespräch über Magie, das du dir die ganze Zeit gewünscht hast.«
»Ich habe mich also nicht geirrt«, stellte Kendra fest. »Du kennst diese fremdartige Welt der glitzernden Energieströme auch.«
»Oh ja«, bestätigte ihr Großvater. »Und das schon seit sehr langer Zeit.« Er ließ den Blick in die Ferne schweifen. »Ich entdeckte sie nicht wissentlich, so wie du, sondern entfesselte meine magischen Gaben als ganz kleiner Junge eher unbewusst. Ein wandernder Magier wurde auf mich und meine Kräfte aufmerksam und nahm es auf sich, mich auszubilden. Viele Jahre habe ich gelernt und bin weit herumgereist, um andere kennenzulernen, die so wie ich waren. Und immer wieder wurde mir eines eingeschärft: Man darf die Magie nicht unterschätzen. Sie ist nicht unser Feind, aber sie ist auch nicht unser Freund. Sie ist eine Naturgewalt, und wir Menschen sind ihr so gleichgültig, wie wir einem Sturm, einer Flut oder einer Feuersbrunst gleichgültig sind. Man kann sie im Kleinen manipulieren, wie du es wohl am Waldsee getan hast, wenn ich das, was ich dort gesehen habe, nicht falsch deute. Aber man kann sie nicht beherrschen. Niemals.« Er seufzte. »Deine Eltern wollten das nicht wahrhaben.«
»Meine Eltern waren beide Magier?«, fragte Kendra ungläubig. Irgendwie war sie davon ausgegangen, dass nur ihre Mutter übernatürlich begabt gewesen war, schließlich stammte das Buch, das Kendra den Umgang mit den Strömen der Magie gelehrt hatte, aus
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