Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
mich und meine Gaben zufällig erfahren könntest. Und vielleicht wird es auch langsam Zeit, dass ich mein Wissen an jemanden weiterzugeben beginne, der mir nachfolgen kann. Ich werde schließlich nicht jünger.«
»Sag so etwas nicht«, rief Kendra, der sich bei dem Gedanken, sie könnte auch ihren Großvater verlieren, der Magen zusammenzog. »Du wirst noch viele Jahre leben!«
Giles lächelte milde. Es schien, als sei ihm mit diesem Gespräch eine große Last vom Herzen genommen, die er all die Jahre mit sich herumgetragen hatte. Er klopfte Kendra auf die Hand, bevor er sie losließ. »Ja, mit Sicherheit. Doch das, was ich dir beizubringen gedenke, wird uns auch länger als nur einen Sommer beschäftigen. Die erste und vielleicht wichtigste Lektion hast du heute hoffentlich schon gelernt: Unterschätze niemals die Gefahr, die von der Magie ausgeht!« Er stand auf und ging an der Kutsche vorbei nach vorne. »Und aus diesem Grund sollten wir jetzt unbedingt unsere Reise nach London fortsetzen.« Mit der Linken griff er an die Lehne des Kutschbocks und sah Kendra auffordernd an. »Bist du dabei?«
Kendra sprang von der Ladefläche, gesellte sich zu ihm und drückte mit einem tatendurstigen Grinsen den Arm ihres Großvaters. »Das bin ich.«
kapitel 6: die dinge kommen ins rollen
»Simla. Zu Ehren des diamantenen Jubiläums der Queen hat der Vizekönig den 21. und 22. Juni in ganz Indien zum öffentlichen Feiertag erklärt, aber Seine Exzellenz vertritt die Ansicht, dass aufgrund der gegenwärtigen Hungersnot und Seuchenbedrohung offizielle Zeremonien und Großversammlungen vonseiten der Regierung nicht erstrebenswert sind. Wie schon 1887 beabsichtigt Lord Elgin stattdessen, dem Volk selbst Raum für Feiern anlässlich der langen Regentschaft Ihrer Majestät zu lassen.«
– London Times, 19. April 1897
19. April 1897, 16:04 Uhr GMT
England, London, geheime Hallen des Ordens des Silbernen Kreises
»Miss Mary-Ann, gut, dass ich Sie sehe. Ich hätte da eine kleine Frage.«
Mary-Ann McGowan verzog innerlich die Miene, als sie die Stimme des jungen Mannes vernahm, der die Treppe vom Osteingang der Unteren Guildhall heruntergelaufen kam. Es gefiel ihr nicht, von so einem Jungspund mit dem Vornamen angesprochen zu werden, aber das war wohl eines der Übel, die ihr Zustand mit sich brachte – vor allem dann, wenn er einem Neuling in den Reihen des Ordens, wie Mister Porter, nicht bekannt war. Auf den uneingeweihten Betrachter wirkte die schlanke, hochgewachsene Frau mit den rotbraunen Locken, die sie zur offenen Freude der jüngeren Männer und zur heimlichen auch manches älteren als ungezähmte Haarpracht über die Schultern fallen ließ, kaum älter als der siebzehnjährige Charles Harold Porter, ein Waisenjunge von nur geringem magischem Talent, der allein durch die Güte des verstorbenen Ersten Lordmagiers seinen Weg in die Reihen des Ordens gefunden hatte.
Doch der Schein trog. Mary-Ann McGowan hatte schon vor einigen Jahren die fünfzig überschritten, und nur einem Unfall , wie es gemeinhin hieß, war es geschuldet, dass sie noch immer die jugendliche Frische ausstrahlte, die ihr mit Anfang zwanzig zu eigen gewesen war. Dass dieser Unfall in Wirklichkeit das höchst erfreuliche und auch nur von einigen kleinen, bedeutungslosen Nebenwirkungen begleitete Ergebnis eines durchaus geplanten Experiments gewesen war, wusste außer McGowan nur Lordmagier Wellington, ein Mann, dem sie schon seit Jahrzehnten eng verbunden war. Ein Mann von Format und mit Visionen, ein Mann, der weiß, welchen Platz wir Auserwählten in der Weltordnung haben sollten … Porter jedenfalls hatte keine Ahnung von ihrem kleinen Geheimnis, und sein Respekt ihr gegenüber beruhte allein auf der Tatsache, dass sie bereits ein Mitglied des Ordens gewesen war, als er vor zwei Jahren in die Welt der Magieanwender eingeführt worden war. Genau so ein Protegé des Alten wie dieser unsägliche Randolph Brown , dachte sie abfällig.
Dennoch ließ sie sich nichts anmerken, sondern zwang ein liebenswürdiges Lächeln auf ihre Züge und fragte: »Was kann ich für Sie tun, Mister Porter?«
Der Junge zog ein Kuvert aus der Jackentasche. »Ein Telegrammbote hat mir das hier eben im Büro übergeben.« Das Büro war eine kleine Wohnung unweit der Guildhall, gewissermaßen eine neutrale Fassade in Form einer unbedeutenden Anwaltskanzlei, in die sich der Orden seine Korrespondenz schicken ließ, damit er nicht seinen wahren Standort preisgeben
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