Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit
Schotte nickte. »Mein Aufenthalt hier war eine persönliche Angelegenheit.«
»Alkohol und Magie … eine gefährliche Mischung …«, murmelte Holmes vor sich hin.
Drummond warf ihm einen düsteren Blick zu, den der Magier mit Unschuldsmiene erwiderte. »Jedenfalls spaziert man aus diesem Kerker nicht so ohne Weiteres hinaus.«
»Wir werden sehen«, sagte Holmes.
»Verzeihung, aber vielleicht sollte diese Entscheidung nicht von Ihnen alleine getroffen werden. Immerhin dürften alle Anwesenden mit erheblichen Konsequenzen rechnen müssen, wenn Ihr Vorhaben scheitert«, mischte sich ein weiterer Magier ein. Es handelte sich um einen stämmigen grauhaarigen Herrn mit zerfurchtem Gesicht und freundlichen Augen, der nach Jonathans Dafürhalten einen guten Pfarrer oder Arzt abgegeben hätte.
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie lieber hier unten verrotten möchten, Doktor Westinghouse?«, knurrte Drummond.
Also ein Arzt , dachte Jonathan und klopfte sich in Gedanken selbstzufrieden auf die Schulter.
»Nein, ganz im Gegenteil«, widersprach Westinghouse. »Ich möchte diesen ungastlichen Ort auch so schnell wie möglich verlassen. Aber ich bin kein Kämpfer wie Sie, und die meisten anderen sind es auch nicht. Können wir es wirklich wagen, uns mit Männern wie diesem Ungeheuer Hyde-White anzulegen? Oder sollten wir nicht lieber versuchen, uns in Geduld zu üben, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um mit Lordmagier Wellington eine Übereinkunft zu treffen?«
»Man kann mit Wellington nicht verhandeln!«, zischte ein junger Mann, der bis jetzt mit zorniger Miene den Raum in Augenschein genommen hatte. Er gesellte sich ihrer Gruppe hinzu und stemmte die Hände in die Hüften. »Er ist ein Verräter, und auch wenn ich mit Miss Spellman sonst nie einer Meinung bin, so doch diesmal. Wellington wird uns alle umbringen – wenn wir ihm die Möglichkeit dazu lassen.« Unvermittelt wandte sich der Mann Jonathan zu. »Stimmt etwas nicht?«
Jonathan zuckte leicht zusammen, als er merkte, dass er sein Gegenüber ziemlich offen angestarrt hatte. Es kam allerdings auch nicht alle Tage vor, dass man jemandem begegnete, dessen Haut schuppig wie die einer Schlange war und dessen Augen geschlitzte Pupillen aufwiesen.
»Nein, alles in Ordnung«, antwortete er kopfschüttelnd. »Verzeihen Sie!«
Holmes legte Jonathan leutselig die Hand auf die Schulter. »Nehmen Sie es ihm nicht übel, Mister Ashbrook. Mister Kentham ist erst seit ein paar Tagen Teil unserer Welt. Seine Augen sind noch groß und staunend wie die eines neugeborenen Kindes.«
»Danke für den trefflichen Vergleich, Holmes«, raunte Jonathan.
»Gern geschehen, mein Bester«, gab Holmes zurück.
»Dann sollte er besser schnell erwachsen werden«, knurrte Ashbrook. »Wir leben in Zeiten, in denen die Kindersterblichkeit ziemlich hoch ist.« Eine dünne, gespaltene Zunge tauchte für einen Lidschlag zwischen seinen schmalen Lippen auf und züngelte angriffslustig in Jonathans Richtung.
»Ich bin schon vorsichtig«, sagte dieser.
Mittlerweile hatten sich auch die übrigen Anwesenden um Holmes, Drummond, Jonathan und die anderen geschart. Offensichtlich wollten alle mitbekommen, was hier gesprochen wurde.
Cutler räusperte sich. »Bevor wir über das Für und Wider einer Flucht diskutieren, darf ich vielleicht eine kurze Vorstellung übernehmen.« Er deutete auf Jonathan und Kendra. »Dies hier sind Mister Kentham und Miss McKellen. Mister Kentham ist Journalist und erst vor wenigen Tagen mit der Magie erstmals in Berührung gekommen. Miss McKellen stammt, wenn ich richtig informiert bin, aus Schottland und kam mit ihrem Großvater hierher, um Lordmagier Dunholm zu besuchen.«
Jonathan fiel auf, dass der Sekretär des verstorbenen Ersten Lordmagiers es geschickt verstand, so viel zu verraten, dass die erste Neugierde der Anwesenden gestillt wurde, ohne dabei etwas preiszugeben, das potenziell gefährliches Wissen barg – wie etwa die Tatsache, dass Jonathan Dunholms Ring trug, ein Umstand, von dem hier und jetzt nur Jonathan, Kendra, Cutler und Holmes wussten.
Cutler fuhr unterdessen fort: »Mister Kentham, Miss McKellen, dies ist Mister Drummond, der Leiter der Magieabwehr.«
»Wohl eher der ehemalige Leiter der Magieabwehr«, knurrte der hünenhafte Schotte.
»Der Herr neben ihm ist Mister Wilkins, einer seiner Gehilfen. Und Doktor Westinghouse ist der Arzt des Ordens, ein Mediziner, der sich auf ungewöhnliche Krankheiten und Verletzungen spezialisiert
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