Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit
hat.«
»Es ist schön, Sie kennenzulernen«, sagte Westinghouse und gab Jonathan die Hand. »Auch wenn die Umstände alles andere als angenehm sind.«
»Des Weiteren hätten wir hier Miss Spellman, und der Gentleman an ihrer Seite ist Mister Winterbottom, seines Zeichens Magietheoretiker und Archivar.«
Die rundliche Magierin mit den rot verquollenen Augen zwang sich zu einem Lächeln, und ihr Begleiter verbeugte sich steif.
»Ebenfalls eine Archivarin ist die Dame ganz in Schwarz hier, Misses Blackwood«, sagte Cutler. »Und diese beiden Gentlemen sind Mister Peabody und Mister Richardson, Inhaber einer Anwaltskanzlei, die den Orden unterstützt.«
»Schadensbegrenzung ist unser Metier«, erklärte der Dickere der beiden, Mister Peabody, dessen Gesicht ein prächtiger Backenbart zierte.
»Man könnte auch sagen: Vertuschungen«, fügte sein Kompagnon Mister Richardson, ein hagerer Mittfünfziger mit ausgeprägter Hakennase, dünn lächelnd hinzu. Beide reichten Jonathan die Hand.
Cutler deutete derweil auf eine Frau, deren elfenhaft zarte Züge es unmöglich machten, ihr Alter zu schätzen.
»Miss Morland«, hauchte sie.
»Das hier ist …«, sagte Cutler, brach dann ab und räusperte sich. »Ja, Miss Morland. Sie besitzt die eigentümliche Gabe, einige Augenblicke in die Zukunft zu sehen. Niemand von uns hat jemals herausgefunden, wie ihr das gelingt. Allerdings bemerkt sie es manchmal nicht, dass Sie sich gerade in der Zukunft befindet, und nimmt daher gewisse Dinge … vorweg.«
Die elfenhafte Frau blickte Jonathan abwesend an. Ihre Augen waren hell wie arktische Gletscher. »Verzeihung«, sagte sie schließlich mit etwa fünf Sekunden Verspätung. Sie blinzelte, und ihr Blick schien etwas klarer zu werden. »Ich bin erschöpft. Manchmal beginnt mein Geist in diesem Zustand zu driften. Und um Ihre Frage zu beantworten, die Sie sicher stellen wollen, Mister Kentham: Ich spüre die Vorbeben im Fadenwerk.«
»Vorbeben?«, echote Jonathan mit fragender Miene.
»Es ist wie die Bugwelle eines Schiffes oder die Böen, die einem Sturm vorausgehen«, erklärte Morland mit leiser Stimme. »Alle Ereignisse werfen einen Schatten voraus, allen Änderungen im Fadenwerk geht ein Beben der Fäden voraus. Ich spüre es wie die Erschütterung der Fäden durch das Ereignis selbst.«
»Faszinierend«, warf Holmes ein. »Wir sollten gelegentlich gemeinsam zum Pferderennen gehen. Ich lade Sie ein.«
»Ich kann nur wenige Momente vorausblicken, Mister Holmes«, sagte Morland mit einem milden Lächeln. »Ich wäre Ihnen keine Hilfe.«
»Nun, dann zumindest eine charmante Begleitung.«
»Mister Ashbrook«, schloss Cutler die Vorstellungsrunde ab, »haben Sie ja schon kennengelernt.«
»Schön«, sagte Holmes. »Nachdem wir der Etikette jetzt Genüge getan und eine Menge Namen ausgetauscht haben, die sich Mister Kentham und Miss McKellen nur schwerlich werden merken können, wäre vielleicht der richtige Zeitpunkt gekommen, um zu klären, was wir zu tun gedenken. Und bitte keine langen Debatten; wir sind hier nicht im Rat, sondern im Gefängnis.«
»Für mich ist das keine Frage: Wir brechen dieses Schloss auf und verschwinden von hier. Je länger wir herumsitzen, desto mehr Ärger wird Wellington anrichten«, sagte Ashbrook.
»Ihre Einstellung gefällt mir. Ich schließe mich dem an«, erklärte Holmes. »Mister Drummond?«
Der schottische Hüne verschränkte die Arme vor der breiten Brust. »Ich bleibe zwar dabei, dass es nicht so leicht sein wird, aber natürlich helfe ich. Ich habe nicht vor, in meiner eigenen Zelle zu versauern.«
Jonathan, Kendra, Cutler und Wilkins nickten ebenfalls zustimmend.
»Aber Ihnen ist klar, dass wir ein unwägbares Risiko eingehen«, wandte Doktor Westinghouse erneut ein. »Wenn Lordmagier Wellington uns erwischt, wird unser Schicksal aller Voraussicht nach höchst unerfreulich ausfallen. Dass er wenig Skrupel hat, dürfte sein Angriff auf Lord Cheltenham gezeigt haben.«
Die Worte beschworen das Bild eines verkrümmt daliegenden, schwarz verkohlten Leichnams vor Jonathans innerem Auge herauf, der schwelenden Überreste des ehemaligen Stellvertretenden Ersten Lordmagiers, der einem völlig unprovozierten Flammenangriff Wellingtons zum Opfer gefallen war. Die abscheuliche Tat hatte als Warnung dienen sollen – und diesen Zweck hatte sie mehr als erfüllt.
»Sagte Lord Wellington nicht, dass er uns freilassen würde, wenn wir ihn nicht stören?«, warf Spellman mit unsicherer
Weitere Kostenlose Bücher