Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit
Stimme ein.
Ashbrook lachte abfällig. »Wer das glaubt, ist ein Narr!«
»Bitte, bleiben Sie höflich, Mister Ashbrook«, wies Holmes ihn zurecht, bevor er sich selbst an die Magierin wandte. »Möglicherweise sprach er die Wahrheit, möglicherweise nicht, meine liebe Miss Spellman. Doch so oder so können wir uns nicht erlauben, ihn einfach gewähren zu lassen. Sein Handeln ist das eines Wahnsinnigen. Und, glauben Sie mir, bis ich zu solch einem Schluss komme, muss schon einiges geschehen.«
»Mister Holmes, Sie übertreiben«, rief Winterbottom.
»Das sehe ich anders«, knurrte Drummond.
»Vielleicht sollten wir eine Nacht darüber schlafen«, schlug Peabody vor.
»Während Wellington sich auf Dunholms Platz breitmacht?«, empörte sich Ashbrook.
Die Debatte drohte außer Kontrolle zu geraten, als immer mehr Anwesende gleichzeitig ihre Meinung kundzutun versuchten. Peabody und Richardson pochten auf den Versuch, mit den Anhängern des Neuen Morgens zu verhandeln. Ashbrook und Drummond lehnten das rundheraus ab. Die übrigen vertraten Standpunkte irgendwo dazwischen.
In diesem Augenblick meldete sich Kendra unvermittelt zu Wort: »Die Welt wird im Chaos versinken.« Ihre Stimme war tonlos, ihr Blick schien in weite Ferne gerichtet zu sein. »Straßen werden aufbrechen, Häuser werden einstürzen, Ungeheuer werden aus dem Meer steigen und am Himmel kreisen. Ein furchtbarer Orkan der Magie wird über den Erdball toben, und Tausende werden sterben …«
Die Magier um sie herum verstummten. »Was sagen Sie da?«, fragte Holmes.
Die Enkelin von Giles McKellen schaute ihn mit großen Augen an. »Ich habe es gesehen. In der Nacht vor drei Tagen hatte ich eine Vision, und sie zeigte mir eine Welt, in der das Chaos herrscht. Auch mein Großvater spürte eine unglaubliche Bedrohung. Sie hat ihn bewogen, nach London aufzubrechen.«
»In der Nacht vor drei Tagen …?«, murmelte Cutler. »Das war die Nacht, in der Lordmagier Dunholm getötet wurde.«
»Und die, in der Wellington die Wahre Quelle der Magie öffnete«, knurrte Drummond.
Jonathan richtete sich auf. »Also, ich für meinen Teil habe genug gehört. Ich möchte nicht auf die Gnade eines Mannes mit Welteroberungsplänen bauen. Und noch viel weniger möchte ich zusehen, wie sich unsere Welt in einen Ort verwandelt, in dem Steinlöwen durch nächtliche Londoner Straßen streifen und jedes Sommergewitter zu einem Inferno wird, wie Mister Holmes, Miss McKellen und ich es außerhalb von London erlebt haben. Das kann niemand von Ihnen wollen!«
»Sehr schön gesagt, mein Bester«, lobte Holmes. »Schreiten wir also zur unvermeidlichen Abstimmung. Wer ist für einen Fluchtversuch?«
Es dauerte eine Weile, aber letzten Endes gingen alle Hände in die Höhe.
»Prächtig. Legen wir los.«
»Wo ist er?!« Victor Mordred Wellington, der selbst ernannte Erste Lordmagier des Ordens des Silbernen Kreises, ließ die kalte Hand Albert Dunholms fallen und hob wütend den Kopf. Er befand sich in der kleinen, schlichten Kapelle des Ordens. Einfache Holzbänke reihten sich im hinteren Teil des Raumes, während der vordere durch einen mit einem verzierten Tuch bedeckten Steinaltar ausgefüllt wurde, über dem ein Wandbild hing, das den Heiligen Georg im Kampf mit dem Drachen zeigte.
Direkt vor dem Altar lag der Leichnam des früheren Ersten Lordmagiers aufgebahrt. Man hatte ihn gewaschen und in einen frischen dunklen Anzug gesteckt, sodass nichts mehr auf den Todeskampf hinwies, den er drei Nächte zuvor im Fleischmarkt am Smithfield ausgefochten hatte. Wellington nahm an, dass der Orden seinen Anführer spätestens in ein oder zwei Tagen hätte einäschern wollen. Das würde er nun übernehmen. Er würde den Alten Mann mit allen Ehren, die ihm zustanden, bestatten lassen. Zwar hatte er persönlich seinen Tod befohlen, aber nicht aus Mangel an Respekt vor Dunholm, sondern weil dieser ihm schlicht im Weg gestanden hatte. Noch immer verspürte Wellington Hochachtung vor den Fähigkeiten und der Weitsicht seines Vorgängers, und zugleich bedauerte ein Teil von ihm, dass es ihm nie gelungen war, Dunholm von der Notwendigkeit eines Neuen Morgens der Magie zu überzeugen.
Bevor es allerdings zu dem Feierakt kommen konnte, den sich sicher auch viele von Wellingtons Anhängern wünschten – und wenn allein, um ihr insgeheim schlechtes Gewissen ein wenig zu beruhigen –, galt es eine Angelegenheit zu klären.
»Verzeihen Sie, Albert, aber es muss sein«, murmelte er und
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