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Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Titel: Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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hob und zu McGowan hinüberblickte, sah er die Andeutung eines Lächelns ihre Lippen umspielen.
    22. April 1897, 06:12 Uhr GMT
England, London, geheime Hallen des Ordens des Silbernen Kreises
    Irgendetwas verfolgte ihn. Er vermochte nicht zu sagen, wer oder was es war. Schattenhafte Gestalten in langen Mänteln oder Kutten, die sich am Rande seines Blickfelds im Dunkel verbargen, in lichtlosen Hauseingängen und Gassen, die kaum mehr als finstere Spalten zwischen den dicht an dicht gedrängten Gebäuden darstellten.
    Seine Nackenhärchen stellten sich auf, und sein Magen verkrampfte sich, als das dumpfe Gefühl einer Bedrohung immer stärker wurde. Er beschleunigte seine Schritte, fing an zu laufen, schließlich rannte er die kopfsteingepflasterten Straßen hinunter, die irgendwo in London liegen mussten, ohne dass er genau zu sagen vermocht hätte, wo er sich befand. Immer wieder warf er einen Blick über die Schulter, doch obschon seine Verfolger nicht näher kamen, gelang es ihm auch nicht, sie abzuschütteln.
    Auf einmal bemerkte er direkt vor sich einen Riss in der Straße, lang und gezackt und mit ausgefransten Rändern, die in seltsamer Bewegung waren, glimmend wie glühende Kohlen, züngelnd gleich winzigen Flämmchen. Nein, erkannte er zutiefst verwirrt. Der Riss befand sich nicht in der Straße. Er befand sich in der Wirklichkeit. Furchtsam wich er ihm aus und rannte weiter, hoffend, dass er etwas derart Verstörendem nicht wieder begegnen würde.
    Doch sein Hoffen sollte vergebens sein. Hinter der nächsten Straßenecke klaffte ein weiterer Riss auf, aus dem sich glitzernde Fäden herauswanden wie die peitschendünnen Tentakel eines albtraumhaften Ungeheuers. Einige Schritte weiter öffnete sich der nächste. Wie ein Mann, der durch einen Minenschacht jagt, während hinter ihm polternd die Decke einbricht, stürmte er vorwärts, sprang und wich nach links und rechts aus, derweil die Welt um ihn herum aufriss gleich trockener Farbe auf einer Leinwand. Tastende Fäden glitten ihm in den Weg, verbanden sich von Straßenseite zu Straßenseite, woben ein immer dichter werdendes Spinnennetz aus glitzerndem Licht.
    Immer schwerer fiel es ihm, dem Fadenwerk auszuweichen. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als mitten hindurchzurennen. Lautlos peitschend rissen die dünnen Fäden, als sein Körper sich seine Bahn brach. Doch je dichter das Fadenwerk wurde, desto anstrengender wurde es für ihn, sich vorwärtszukämpfen. Die Fäden behinderten ihn, zogen an ihm, banden ihn. Schließlich blieb er endgültig in ihnen hängen, wie ein Mann in einer undurchdringlichen Dornenhecke oder eine Fliege in einem gigantischen Spinnennetz. Panisch wandte er den Kopf, um nach seinen Verfolgern zu schauen.
    Er sah nur noch, wie ein dunkler Schemen mit ausgebreiteten Armen durch das allgegenwärtige Glitzern auf ihn zuraste …
    … dann zuckte Jonathan zusammen und riss die Augen auf. Er erkannte, wo er sich befand, stöhnte unwillig und ließ seinen Kopf zurück an die Steinwand in seinem Rücken sinken. »Was für ein Albtraum«, murmelte er.
    An seiner Seite fing Kendra an sich zu regen. Sie nahm den Kopf von seiner Schulter, und als er sich ihr zuwandte, blickte sie ihn mit verschlafenem Gesicht an. Rotes Haar quoll zerzaust zu beiden Seiten aus der hochgeschlagenen Kapuze ihres Capes, und die dunklen Ringe unter ihren Augen schienen nur noch tiefer geworden zu sein. »Was ist los?«, fragte sie undeutlich.
    »Nichts. Ich habe nur schlecht geträumt«, erwiderte Jonathan. Er blinzelte, rieb sich die Augen und streckte seinen schmerzenden Rücken. »Au, verflixt! Ich habe gar nicht mitbekommen, dass wir eingeschlafen sind«, sagte er. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war, dass Kendra und er eine Weile lang den Wechsel in die Wahrsicht geübt hatten. Irgendwann hatten sie sich erschöpft zurückgelehnt und – nur für einen Moment – die Augen geschlossen, um neue Kräfte zu sammeln. Trotz der Kälte und der Härte der Steinbank mussten sie dabei weggedämmert sein.
    »Ah, Jonathan und Miss McKellen, gut, dass Sie wach sind. Schließen Sie sich doch unserer konspirativen Runde an.« Von der anderen Seite ihres Gefängnisses winkte Holmes ihnen zu. Er saß dort mit Cutler, Drummond, Wilkins, Ashbrook, Blackwood, Morland und Doktor Westinghouse und war mit ihnen in ein leises Gespräch vertieft. Winterbottom hockte etwas abseits, den Kopf der schlafenden Miss Spellman in seinen Schoß gebettet, und am anderen Ende

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