Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit
war hundemüde. Aber er war fest entschlossen, seinen Teil zur Nachtwache beizutragen und auf McGowan und McKellen aufzupassen, während seine beiden Gefährten neue Kraft schöpften. Nun saß er seit einer gefühlten Ewigkeit, in Wahrheit aber höchstens einer halben Stunde, auf einem der Stühle und lauschte dem gleichmäßigem Schnarchen von Randolph, zu dem sich jetzt noch die schweren Atemgeräusche Grigoris gesellten, den er vorhin abgelöst hatte.
Geistesabwesend spielte Sedgewick mit dem Revolver in seinen Händen. Er war weiß Gott kein Freund von Waffen, aber es fühlte sich gut an, in diesem Moment das kühle Metall unter den Fingern zu spüren. Gleichzeitig schweifte sein Blick durch die Lagerhalle, in der es allerdings, nicht zuletzt aufgrund der Dunkelheit, die weite Teile des Raumes verschluckte, kaum etwas zu sehen gab. Immer wieder kehrten seine Augen daher zu ihrem komatösen Verbündeten und ihrer ebenfalls reglosen Gefangenen zurück, die nun beide auf alten Säcken nebeneinander ruhten.
Bevor sie schlafen gegangen waren, hatte Sedgewick Randolph dazu überredet, McGowan von ihrem Platz loszubinden und ihr eine etwas bequemere Position für die Nacht zu erlauben. Warum er für sie Partei ergriffen hatte, wusste er selbst nicht so genau. Vielleicht glaubte er, dass sie der Magierin etwas schuldeten, nachdem der Kutscher sie so rüde behandelt hatte. Grundlegende Formen des Anstands sollten schließlich auch im Umgang mit Gefangenen gelten – vor allem mit weiblichen Gefangenen.
Ich danke Ihnen, Sedgewick. Auf einmal war die Stimme wieder in seinem Kopf, die geisterhafte Frauenstimme, die niemand anders als McGowan gehörte und die niemand sonst außer ihm wahrzunehmen vermochte.
Was wollen Sie schon wieder? , fragte er unwirsch. Ihm war mittlerweile klar, dass er nicht laut sprechen musste, um von der Magierin verstanden zu werden. Und es lag schließlich nicht in seiner Absicht, Randolph und Grigori zu wecken.
Ich wollte genau das: Ihnen für Ihre Freundlichkeit, die Sie mir weiß Gott nicht schuldig gewesen wären, danken , erklärte McGowan. Und ich möchte Sie um Verzeihung bitten.
Wofür? , fragte Sedgewick. Ein Teil von ihm wollte McGowan aus seinem Kopf verscheuchen, doch ein weitaus größerer war neugierig darauf, wohin das Gespräch führen mochte. Die Magierin nahm sicher keinen telepathischen Kontakt zu ihm auf, nur weil sie nicht schlafen konnte.
Dafür, dass ich Sie falsch eingeschätzt habe. Ich gestehe, dass ich Sie immer für ein furchtsames kleines Wiesel gehalten habe … Unwillkürlich versteifte sich Sedgewick bei diesen Worten. Aber ich habe mich geirrt. Sie sind ein Mann mit Prinzipien, und dass Sie sogar den Zorn von Mister Brown herausgefordert haben, um selbigen treu zu bleiben, hat mich beeindruckt. Ich bitte um Entschuldigung für mein Verhalten.
Glauben Sie, ich kann so leicht darüber hinwegsehen, dass Sie versucht haben, Cutler und mich umzubringen? , hielt Sedgewick ihr entgegen. Von Angesicht zu Angesicht wäre es ihm unmöglich gewesen, sie derart zu konfrontieren. Aber in seinen Gedanken – und ohne in McGowans stechende Augen blicken zu müssen – fiel es ihm viel leichter auszusprechen, was ihn innerlich beschäftigte.
Das erwarte ich gar nicht von Ihnen , sagte McGowan. Sie hatte sich auf den Säcken am Boden ein wenig herumgerollt und schien ihn erneut durch die Augenbinde hindurch anzublicken. Und hierfür werde ich mich auch nicht entschuldigen. Ich habe lediglich versucht, meiner Sache treu zu bleiben, einer Sache, die Mister Cutler und Sie im Begriff waren zu gefährden.
Die Miene des Magispectors verdüsterte sich. Könnten wir die Zeit zurückdrehen, würden Sie es wieder tun, nicht wahr?
Ja , bestätigte ihm die Magierin. Die Vision von Victor Wellington ist zu wichtig, um von Männern zerschlagen zu werden, die nicht einmal verstehen, was er zu unser aller Besten anstrebt.
»Er hat die Wahre Quelle der Magie geöffnet, bei Gott! Er wird die Welt ins Chaos stürzen. Was gibt es daran nicht zu verstehen?«, entfuhr es Sedgewick. Erschrocken hielt er inne, als ihm bewusst wurde, dass er die letzten Worte laut ausgesprochen hatte.
Sein Blick huschte zu seinen Kameraden hinüber. Grigori grunzte nur unwillig und rollte sich auf die andere Seite. Randolph dagegen schlug die Augen auf und sah sich alarmiert um. »Was ist los, Sedgewick?«, fragte er leise.
»Ich … äh … nichts. Ich habe nur laut über unsere Lage nachgedacht und bin
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