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Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Titel: Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Fadenaura ins Auge fiel. Er wechselte aus der Wahrsicht in die Normalsicht zurück, und seine in den letzten Stunden zunehmend trübsinniger gewordene Stimmung hellte sich unvermittelt auf. Keine hundert Schritt entfernt gewahrte er Randolph Brown in einer Einfahrt des Güterbahnhofs, der gerade dabei war, mit einem zweiten Mann einige Kisten auf ein einspänniges Fuhrwerk zu verladen. Was es mit den Kisten auf sich hatte, konnte Crandon nicht erkennen, aber genau genommen interessierte ihn das auch nur nachrangig.
    »Halten Sie hier an«, befahl er seinem Kutscher. Neugierig beobachtete er, wie Dunholms ehemaliger Diener seine Arbeit beendete und dann sein Fuhrwerk in Richtung Themse in Bewegung setzte. »Folgen Sie dieser Kutsche dort vorne«, sagte Crandon. »Aber halten Sie ein wenig Abstand. Man muss uns nicht gleich bemerken.«
    »Wie Sie wünschen«, antwortete der Kutscher.
    Zu Crandons Enttäuschung blieb Brown mit seinem Gefährt nicht auf der Hauptstraße, sondern bog rasch nach links in die Widegate Street, eine Seitenstraße, ein. Als er sein Fuhrwerk kurz darauf nach rechts in die Sandys Row und dann wieder nach links in die Wentworth Street lenkte, wurde dem Magispector klar, dass er so die Verfolgung nicht fortsetzen konnte, ohne früher oder später aufzufallen. Offensichtlich war sich Dunholms ehemaliger Diener der Gefahr der Entdeckung durchaus bewusst, und er wollte es möglichen Beobachtern nicht zu leicht machen. Aber ich beherrsche auch ein paar Tricks , dachte Crandon.
    »Stoppen Sie bitte! Ich steige hier aus«, gebot er dem Kutscher, zahlte rasch und sprang aus der Kutsche.
    Zu Fuß eilte er zur Ecke Wentworth Street, hinter der Browns Fuhrwerk soeben verschwunden war. Vorsichtig warf er einen Blick in die Straße und sah das Gefährt in östlicher Richtung davonfahren. Crandon öffnete sich der Wahrsicht und jagte mit einer subtilen Fingerbewegung der Kutsche ein filigranes Spürfadenbündel hinterher. Doch statt dieses mit der Fadenaura Browns zu verbinden und dabei zu riskieren, dass dieser seinen heimlichen Verfolger bemerkte, legte der Magispector die Spürfäden an den Rücken des Pferdes, das die Kutsche zog. Das Gefährt bog in die belebte Commercial Street ein, während er selbst, seinem Faden nachgehend, in gebührendem Abstand hinterherlief.
    Auf diese Weise gelang es ihm tatsächlich, Dunholms Diener unbemerkt zu folgen. Zweimal löste Crandon den Spürfaden und setzte ihn an einer anderen Stelle wieder an, damit Brown nicht zufällig bei einem Blick in die Wahrsicht darüber stolpern konnte. Aber die Vorsichtsmaßnahme war überflüssig. Der Mann in dem langen Kutschermantel schien zwar immer wieder seine Umgebung zu überprüfen, doch die haardünnen Fühler des Magispectors fielen ihm dabei nicht auf – was in Crandons Innerem ein Gefühl tiefer Befriedigung hervorrief.
    Im Zickzack ging es weiter in südlicher Richtung, auf die Themse oder vielmehr die London Docks zu. Als das Fuhrwerk schließlich zwischen den St. Katherine Docks und den London Docks in die Nightingale Lane einbog, nur um gleich darauf zwischen den Lagerhallen zu verschwinden, war Crandon so euphorisch, dass er in beinahe unvorsichtiger Hast der Kutsche folgte. Am Rand der schmalen Gasse, in der Browns Gefährt verschwunden war, hielt er an und schob verstohlen den Kopf an der Ziegelmauer entlang bis zur Ecke. Er sah, wie das Fuhrwerk ins Innere einer großen, marode aussehenden Lagerhalle rumpelte und sich anschließend die hölzernen Torflügel wie von Geisterhand schlossen.
    Ein triumphierendes Lächeln breitete sich in Crandons Gesicht aus, als er sich eilig auf den Rückweg machte, um Hyde-White Bericht zu erstatten. Jetzt haben wir euch!

 
    KAPITEL 18: DIE LAGE SPITZT SICH ZU

    »Am gestrigen Nachmittag kam es westlich von Northampton zu einem schweren Zugunglück. Während eines Gewitters entgleiste ein Güterzug der LNWR aus noch ungeklärten Ursachen und wurde vollständig zerstört. Drei Tote, darunter einer der Lokführer, wurden gefunden. Der Zug war von Carlisle nach London unterwegs gewesen und führte Holz, Kohle und sonstige Fracht mit sich. Die Strecke musste stundenlang gesperrt werden. Von der Lok, Typ ›5ft 0in Express Goods‹, und dem zweiten Lokführer fehlt jede Spur.«
    – The Daily Telegraph, 22. April 1897
    22. April 1897, 16:11 Uhr GMT
England, London, Nightingale Lane
    Als Randolph mit seinen Besorgungen zu ihrem Versteck zurückkehrte, glaubte er seinen Augen nicht trauen

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