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Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Titel: Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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den Deckel auf und zeigte Grigori den Inhalt. Dann erklärte der Kutscher seinem hünenhaften Gefährten, was er damit vorhatte.
    Der Russe blickte lange schweigend auf die sorgsam verpackten Bündel. Schließlich hob er den Kopf und sagte ruhig: »Damit wir bringen Ende von Guildhall.«
    »Dunholm ist tot. Crowley ist tot. Sedgewick ist tot. Und der halbe Orden folgt einem Fanatiker.« Randolph erwiderte Grigoris Blick mit düsterer Entschlossenheit. »Die Guildhall, wie wir sie kannten, ist doch schon Geschichte. Wir ziehen nur den Schlussstrich.«
    »Aber dürfen wir das?«, wandte der Russe ein.
    Die Frage, die dahintersteckte, war klar. Stand es ihnen beiden zu, über das Schicksal und die Zukunft des Silbernen Kreises zu entscheiden? Hunderte von Jahren hatte der Magierorden in der Unteren Guildhall residiert und war von dort seinen geheimen Geschäften nachgegangen. Nach dem heutigen Tag würde alles anders sein – wenn sie weiter dem Pfad folgten, an dessen Anfang sie gerade standen.
    »Was ist wichtiger?«, fragte Randolph. »Das Leben unserer Freunde, Dutzender guter Männer und Frauen, oder ein paar Korridore und Räume voll alter Möbel und Bücher?«
    Grigori nickte langsam. »Freunde«, bestätigte er.
    »Also dann«, sagte Randolph und erhob sich. »Machen wir uns an die Arbeit.«
    22. April 1897, 17:14 Uhr GMT
England, London, geheime Hallen des Ordens des Silbernen Kreises
    Es war kalt, ohne die längst niedergebrannte Kerze war es dunkel, und es roch nicht mehr besonders gut in ihrem Gefängnis, seit sie sich notgedrungen darauf geeinigt hatten, eine Ecke im hinteren Teil des Raumes als Abort zu nutzen. Dazu kamen bohrender Hunger und furchtbarer Durst, denn schon den ganzen Tag über hatte sich trotz protestierenden Rufens keine Wache herbemüht, um ihnen irgendetwas zu bringen. Dies alles zusammengenommen – in Verbindung mit dem mehrfachen Scheitern ihrer Ausbruchsversuche – hatte die Anwesenden in den letzten paar Stunden in düsterer Lethargie versinken lassen. Nicht einmal Holmes, dem ansonsten nicht viel die Laune verderben konnte, war noch zum Scherzen aufgelegt. Die Magier saßen und lagen allein oder zu zweit auf den steinernen Bänken, litten stumm und warteten – warteten darauf, dass Wellington sich endlich dazu herabließ, ihnen mitzuteilen, was mit ihnen geschehen würde.
    Wenn er sich denn dazu herablässt , dachte Jonathan matt. Vielleicht hat er uns auch einfach nur hier eingesperrt, um uns zu vergessen. Das wäre ein wahrhaftig schäbiges Ende für meine neue Laufbahn als Magier: trotz übernatürlicher Kräfte und des Rings des Ersten Lordmagiers am Finger in einem elenden Loch unter der Guildhall von London zu verdursten.
    »Wissen Sie, was mich am meisten ärgert?«, meldete sich Holmes an seiner Seite im Dunkeln.
    »Nein. Was?«, fragte Jonathan.
    »Joseph hat gestern Morgen kleine Küchlein gebacken, gefüllt mir Erdbeermarmelade. Oder war es Himbeermarmelade? Ach, ich weiß es schon nicht mehr. Sie hätten hervorragend zum heutigen Fünf-Uhr-Tee gepasst.« Er gab ein genießerisches Seufzen von sich. »Stellen Sie sich nur das lockere Gebäck vor, das ihnen zwischen den Zähnen zerfällt und sein süßes Inneres preisgibt. Dazu das bittersüße Aroma eines Orange Pekoe im Gaumen …«
    »Oh, Holmes, seien Sie still!«, stöhnte Jonathan, dem vernehmlich der Magen knurrte.
    »Verzeihung«, murmelte der Magier. »Die Vorstellung hat mich schlichtweg mitgerissen. Jedenfalls nehme ich an, dass mein undankbarer Diener sich seine Kreation nun selbst spendieren wird, und dieser Gedanke bringt mein Blut dermaßen in Wallung, dass ich zu unserer Kerkertür stürmen und das Holz mit den Zähnen durchnagen möchte.«
    »Bitte, lassen Sie sich von mir nicht abhalten!«
    Vor ihnen in der Finsternis wurden tastende Schritte laut, dann vernahmen sie die leise Stimme von Doktor Westinghouse. »Mister Holmes, Mister Kentham, würden Sie bitte mit mir kommen? Mister Drummond würde Sie gerne sprechen.«
    »Was ist denn los?«, fragte Jonathan alarmiert.
    »Ich fürchte, es geht zu Ende mit ihm«, erklärte Westinghouse in vertraulichem Tonfall. »Er hat von dem Kampf mit dem Monstrum Hyde-White innere Verletzungen davongetragen, die ich hier im Dunkeln und ohne meine Instrumente nicht behandeln kann. Und selbst wenn ich die beste Ausrüstung und die fähigsten Ärzte zu meiner Verfügung hätte, bin ich mir nicht sicher, ob ich ihm helfen könnte. Es mag Wunderheiler dort draußen geben,

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