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Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Titel: Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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eine bessere Waffe als einen Deflector, wenn man sich in die Höhle des magischen Löwen wagte, der da Wellington hieß. Von so schlichten Dingen wie dem Ableiten magischer Angriffe oder dem Entladen magischer Fallen abgesehen, war dieser unscheinbar wirkende Gelehrte vermutlich der einzige Mensch, den sie kannte, der darauf hoffen durfte, sich der Wahren Quelle der Magie zu nähern, ohne von dieser auf unvorhersehbare Art und Weise beeinflusst zu werden.
    Je länger Lionida darüber nachdachte, desto sympathischer wurde ihr der Gedanke, die Gaben Scarcatores zu ihrem Vorteil zu nutzen. Die Anspannung wich aus ihrer Miene, und ein Hauch von Zufriedenheit schlich sich in ihr Lächeln. »Ganz im Gegenteil«, fuhr sie an ihren Begleiter gewandt fort. »Solange Sie Ihre Finger von mir lassen, könnte das hier der Beginn einer wundervollen Freundschaft werden.«
    22. April 1897, 15:23 Uhr GMT
England, London, Bishopsgate Güterbahnhof
    Der Krach um Randolph war ohrenbetäubend. Arbeiter schrien und Kranwinden jaulten. Rangierloks schoben stampfend und schnaufend Güterwaggons an ihnen vorbei. Außerdem waren gewaltige Drehscheiben und Hebevorrichtungen unter Rumpeln und Zischen ohne Unterlass damit beschäftigt, die mal vollen, mal leeren Wagen über drei Ebenen hinweg bis zu dem Gleis zu transportieren, an dem sie ent- oder beladen werden konnten.
    Der Bishopsgate Güterbahnhof, in Shoreditch direkt östlich des Finsbury Square und der Broad Street Station gelegen, gehörte zu den großen Warenumschlagplätzen Londons. Vor allem die Frachtgüter der östlichen Hafenanlagen wurden hier durchgeschleust und für den Weitertransport auf der Schiene oder mit Lastkutschen abgefertigt. Zugleich trafen Züge aus allen Winkeln Englands mit Maschinenteilen, Gebrauchsgütern und allen nur erdenklichen sonstigen Waren ein, die dann an den Docks weiterverschifft wurden.
    Randolph nahm das lärmende Treiben nur mit halbem Ohr wahr. Die Hände in den tiefen Taschen seines langen Kutschermantels vergraben und die Schiebermütze ins Gesicht gezogen, stand er im Schatten eines der gemauerten Bogengänge, durch die Kutschen mit Waren den Güterbahnhof erreichten und wieder verließen. Er war in dieser Welt zu Hause, hatte zwischen Eisenbahnwaggons und Frachtschiffen, auf schmutzigen, lauten Verladehöfen und unter kaum weniger schmutzigen, lauten Männern seine ganze Jugend verbracht. Er hatte sich seinerzeit einen guten Ruf unter den Arbeitern erworben. Und auch wenn es ihn seit einigen Jahren nur noch gelegentlich hierher verschlagen hatte, erinnerten sich nach wie vor einige der alten Haudegen daran, wie sie gemeinsam im Schweiße ihres Angesichts die unmöglichsten Güter verladen und in den Abendstunden so manches Ale gehoben hatten.
    Dieser Umstand gereichte ihm nun zum Vorteil, denn er verhalf ihm zu einigen Dingen, die man nicht im Gemischtwarenladen um die Ecke kaufen konnte, Dingen wie denen, die sich in der Kiste mit verwischter Aufschrift befanden, die der gedrungene Mann mit dem Wieselgesicht und dem unter einer speckigen Mütze hervorsprießenden rostfarbenen Haarkranz gerade mit einer Schubkarre zu ihm herüberbrachte. Randolph kannte den Mann nur als den irren Iren, und schon zu seiner Jugendzeit hatte es, wenn man Bedarf an spezielleren Gütern verspürte, geheißen: »Geh mal zum irren Iren. Der kann dir weiterhelfen.« So war es auch in diesem Fall gewesen.
    Dummerweise hatte der irre Ire sein Betätigungsfeld von den Hafenanlagen zum Güterbahnhof verlegt, sodass Randolph den halben Vormittag erfolglos zwischen den West India Docks und den London Docks herumgefahren war. Letztendlich zählte aber nur das Ergebnis, und mit diesem war er höchst zufrieden.
    »So, das hätten wir«, sagte der irre Ire grinsend, als er sich zu Randolph in den Schatten gesellte. »Hat ein bisschen gedauert, tut mir leid. Aber manche Wünsche lassen sich eben nicht in zehn Minuten erfüllen. Du weißt ja, wie das ist.«
    »Schon in Ordnung«, brummte der Kutscher. Er deutete auf die Kisten. »Zeig mir das Zeug.«
    »Aber gerne.« Sein Gegenüber zog einen Hammer mit spitzem Kopf aus seinem Gürtel und brach mit ein paar geübten Schlägen die oberste Kiste auf. »Ist gute Ware. Und noch besser ist: Kein Mensch wird sie vermissen. Die Kiste liegt schon seit einem Jahr hinten im Lager. Habe noch vier weitere. Sind wohl mal bei einer Verschiffung nach Indien vergessen worden. Diese Stückzahlen auf den Frachtpapieren sind manchmal aber auch

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