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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Türknauf, hielt der Holländer inne. »Mehr als hundert Jahre«, sagte er. »Seit mehr als hundert Jahren war ich nicht mehr an Land. Gute Nacht, Kendra. Ich hoffe, Sie finden mehr Schlaf, als mir vergönnt ist.« Mit diesen Worten öffnete er die Tür und verschwand rasch nach drinnen.
    Kendra blieb sprachlos draußen in der Nacht stehen. Sie hatte nicht geglaubt, dass ihr Gastgeber der Holländer der Legende sein könnte. Langsam geriet diese Überzeugung ins Wanken.
    Als sie kurz darauf zu ihrer Kammer zurückkehrte, begegnete ihr Jonathan auf dem Gang. Verschlafen, wie er war, mit seinen ungekämmten Haaren und der nachlässig übergestreiften Kleidung wirkte er auf diesem unheimlichen Schiff mit seinem nicht minder unheimlichen Kapitän so vollkommen fehl am Platze, so unbeschreiblich menschlich, dass Kendra ihn am liebsten umarmt und fest an sich gedrückt hätte. Doch natürlich gab sie dieser plötzlichen Regung nicht nach.
    »Kendra?«, fragte Jonathan und blinzelte im Licht ihrer Öllaterne. »Wo kommen Sie denn her?« Unbeholfen versuchte er, sein Äußeres ein wenig zu richten, und entlockte Kendra damit ein Lächeln.
    »Ich konnte nicht schlafen«, antwortete sie. »Deshalb bin ich auf Deck gegangen, um etwas frische Luft zu schnappen.«
    »Oh, ich verstehe.« Er räusperte sich. »Nun denn, ich muss nur kurz … Sie wissen schon.« Er blinzelte erneut. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen ein bisschen mitgenommen aus. Und was ist mit Ihrer Hand geschehen?« Jonathan deutete auf den provisorischen Verband.
    »Ich habe mich nur geschnitten. Es ist nichts Ernstes.«
    »Vielleicht sollte ich Robert wecken, damit er sich das mal anschaut.«
    Seine Sorge rührte sie, aber irgendwie fühlte sie sich auch dadurch bedrängt. Im Grunde wollte sie nur noch zurück unter ihre Decke und nicht länger über das nachdenken müssen, was der Holländer zu ihr gesagt hatte. »Es hat bis zum Morgen Zeit. Gute Nacht, Jonathan.« Sie trat auf ihn zu, und er drückte sich an die Wand, um sie vorbeizulassen.
    »Äh … Gute Nacht, Kendra«, rief er ihr mit gedämpfter Stimme nach.
    26. April 1897, 03:10 Uhr GMT
    Atlantik, etwa 240 Seemeilen südwestlich von England
    Und noch jemand konnte in dieser Nacht an Bord des fliegenden Schiffes nicht schlafen. Robert Pennington lag in seiner Koje und wälzte sich unruhig hin und her.
    Den ganzen Tag schon hatte er sich irgendwie seltsam gefühlt. Zunächst hatte er es auf den Schock der furchtbaren Bauchverletzungen geschoben, die ihm dieser magische Attentäter im Tempel unter Stonehenge beigebracht hatte. Doch die Wunden waren auf wundersame Weise vollständig verheilt. Kendra hatte ihm später erklärt, dass die Magie bisweilen diese Wirkung hatte, und er hatte sich schließlich, wenn auch nur einige Augenblicke lang, praktisch im Herzen der Magie befunden.
    Dieser kurze, kühne Ausflug in das vielfarbige Brodeln und Wirbeln der Magiespalte mochte ebenfalls ein Grund für sein Unwohlsein sein. Jonathan hatte Robert gewarnt, dass sich sein Leben durch seinen tollkühnen Angriff auf den Franzosen möglicherweise dauerhaft verändert würde. Du bist von der Magie berührt worden , hatte er gesagt. Es würde mich nicht wundern, wenn du nun auch gewisse Gaben entwickelst. Wenn es dir wie mir geht, wirst du dich erstmal einen Tag lang ziemlich elend fühlen. Aber danach wirst du eine neue Welt entdecken.
    Ein paar Stunden lang hatte Robert sich tatsächlich wie nach einer durchzechten Nacht gefühlt. Er hatte kurze Aussetzer erlebt, Momente die plötzlich vorbei waren, ohne dass er sich daran erinnern konnte, und er hatte den Eindruck gehabt, irgendwie neben sich zu stehen. Doch diese Beschwerden waren schon gegen Mittag abgeklungen. Zurück war diese eigentümliche Unruhe geblieben, die im Laufe des Nachmittags zunehmend stärker geworden war. Da Robert aber kein Mann war, der wegen jeder Kleinigkeit einen Arzt aufsuchte, hatte er die Zähne zusammengebissen und darauf gehofft, dass es ein vorübergehendes Phänomen sein würde – die ganz eigene Art seines Körpers, mit den neuen magischen Energien in seinen Gliedern fertig zu werden.
    Die Begegnung mit diesem Holländer und das sich anschließende Abendessen hatte Robert mit der eisernen Selbstdisziplin des ehemaligen Frontsoldaten durchgestanden. Danach hingegen war er unter dem Vorwand, vom Tag erschöpft zu sein, in die ihm zugewiesene Kabine gegangen. Und nun lag er hier schon seit Stunden, und sein Unwohlsein nahm eher

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