Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
Vom Netzwerk:
Durchgänge, die zum Innenhof des Buckingham Palace führten, eine junge Frau geeilt kam. »Verzeihen Sie vielmals, meine Herren«, rief sie ihnen zu. »Bitte warten Sie.«
    Cutler wechselte einen überraschten Blick mit Filby und Peabody, bevor er sich der Frau zuwandte. Ihrer Kleidung nach musste sie eine Kammerzofe sein, und sie hielt ein verschlossenes Kuvert in den Händen. »Entschuldigen Sie mein ungebührliches Auftreten, aber meine Herrin trug mir auf, Ihnen unbedingt diesen Brief zu übergeben.« Sie reichte Cutler das Schreiben.
    Dieser nahm es verwundert entgegen. »Erwartet Sie eine Antwort? Soll ich ihn gleich öffnen?«
    »Das weiß ich nicht«, erwiderte die Zofe.
    Dunholms ehemaliger Sekretär zuckte mit den Schultern. »Dann wollen wir mal sehen.« Er riss das offensichtlich hastig verklebte Kuvert auf und zog einen gefalteten Briefbogen hervor. Auf dem weißen Blatt standen nur zwei Sätze:
    Bitte treffen Sie mich heute Abend um 9 Uhr
    am vorderen Eingang des Lyceum-Theaters.
    Es ist von wirklich allergrößter Dringlichkeit.
    Hochachtungsvoll
    F.
    Ohne sein Zutun stiegen Cutlers Augenbrauen in die Höhe. Die Sache wurde immer mysteriöser.
    »Was steht dort geschrieben?«, wollte Filby wissen.
    Cutler zeigte seinen beiden Begleitern den Brief.
    »Dürfte ich fragen, wer Ihre Herrin ist?«, erkundigte sich Peabody.
    »Es tut mir sehr leid, aber sie verbat mir, ihren Namen zu verraten«, antwortete die Zofe. Ihr Gesicht war gerötet, und sie richtete immer wieder den Blick zu Boden, nachdem sie einen der Männer angeschaut hatte. Diese ganze Situation schien ihr furchtbar unangenehm zu sein.
    »Wissen Sie aber vielleicht, was sie bewogen haben könnte, diese Nachricht zu verfassen?«, hakte Cutler nach.
    »Nein, mein Herr. Auch dazu kann ich nichts sagen.« Die junge Zofe wirkte noch verlegener als zuvor. »Sie gab mir nur das Kuvert.«
    Dunholms ehemaliger Diener faltete den Brief wieder zusammen und schob ihn gemeinsam mit dem Kuvert in die Innentasche seines Gehrocks. Ihm war bewusst, dass er im Begriff war, eigenmächtig eine Entscheidung zu treffen, die ihm vielleicht nicht zustand. Doch er hatte das Gefühl, dass es sich als wertvoll erweisen könnte, den Wunsch ihrer namenlosen Korrespondentin zu erfüllen. »Grämen Sie sich nicht, mein Kind. Das ist schon in Ordnung. Sagen Sie Ihrer Herrin, dass wir … « Er zögerte. Wenn die Dame ihrer Zofe gegenüber so geheimnisvoll getan hatte, war womöglich sogar der Umstand ihres Treffens nicht für die Ohren anderer bestimmt. »Dass wir ihrem Wunsch nachkommen werden«, beendete er den Satz schließlich.
    »Sehr wohl, mein Herr.« Die Zofe machte einen Knicks, bevor sie sich umdrehte und schleunigst davonhuschte.
    »Ausgesprochen ominös«, kommentierte Filby trocken.
    »Dem stimme ich zu«, sagte Cutler nickend. »Ich bin gespannt, wohin das führen soll.«
    26. April 1897, 10:20 Uhr GMT
    Atlantik, etwa 410 Seemeilen südwestlich von England
    Der nächste Morgen war so grau und nebelig, wie Jonathan es befürchtet hatte. Um die Fahrt des fliegenden Schiffes vor den Augen zufälliger Handelsreisender zu verbergen, hatte der Holländer es erneut in eine dichte Nebelbank gehüllt, die zwar für sich genommen den ein oder anderen Seemann ob des eigentümlichen Wetterphänomens in Verwirrung stürzen mochte, allerdings mit Sicherheit weit weniger Aufsehen erregte als ein Dreimaster, der scheinbar ohne Besatzung ein Dutzend Schritt über den Wellen kreuzte.
    Auf Deck herrschte die gleiche gähnende Leere wie am gestrigen Tag. Jonathan fragte sich wirklich, was für eine seltsame Mannschaft ihr Gastgeber hatte, die niemals aus ihren Kabinen hervorkam. Das Schiff mochte ja von alleine oder nur gesteuert durch den Holländer seinen Weg finden, aber war das ein Grund, sich unablässig in seinem hölzernen Bauch zu verstecken? Jonathan fand die Vorstellung, Tag für Tag in der muffigen Enge und Dunkelheit zu verbringen, ausgesprochen deprimierend. Andererseits war der eintönig grauweiße Dunst, der sie umgab und mit klammen Fingern unter seine Jacke zu kriechen versuchte, auch nicht unbedingt dazu angetan, die Stimmung zu heben.
    So wird also aus einem einst normalen Segler ein Geisterschiff. Es bedarf nicht einmal viel Zutuns durch die Magie. Die Menschen selbst machen sich zu lebenden Toten, indem sie sich einfach aufgeben. Das war für Jonathan die einzige Erklärung. Selbst ein Mann wie Meister Fu, der ein Beispiel inneren Friedens zu sein schien,

Weitere Kostenlose Bücher