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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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seine Verbindung zu Ihrem Großvater war«, meinte Jonathan. Er hob in einer Geste der Unschlüssigkeit die Hände und ließ sie wieder sinken. »Ich sage ja nicht, dass er unser Feind ist. Ich sage nur, dass die Magie den Menschen die seltsamsten Dinge antun kann. Wenn er wirklich über hundert Jahre alt ist, obwohl er aussieht, als wäre er keine vierzig, sollte einem das zu denken geben, finden Sie nicht? Er verbirgt sich hier im Nebel, ist bleich wie der Tod, er behauptet, eine Mannschaft zu haben, aber hält sie vor uns versteckt. Das alles … « Jonathan merkte, dass er lauter geworden war, und er brach ab. Verdammt, ich klinge, als litte ich unter Verfolgungswahn. Ganz ruhig, alter Knabe. Noch ist nichts geschehen, das dir Sorgen bereiten müsste.
    »Ja, ich weiß«, flüsterte Kendra. »Das alles ist ziemlich eigentümlich. Das brauchen Sie mir nicht zu sagen. So viel habe ich selbst schon erkannt.« Sie fröstelte und zog das Cape enger um die Schultern. »Ich bin mir nur noch nicht sicher, ob ich deshalb Angst oder Mitleid empfinden soll.«
    »Vielleicht von beidem ein bisschen«, meinte Jonathan ein wenig ruhiger. »Aber lassen Sie sich von keinem der Gefühle übermannen. Und wenn Sie etwas bedrückt, denken Sie daran, dass Robert und ich ja auch noch da sind. Ganz gleich, was für düstere Geheimnisse unseren Gastgeber und dieses Schiff umgeben: Solange wir zusammen sind, werden wir damit fertig.« Mit einer Entschlossenheit, die zweifellos durch Drummonds Bewusstseinsreste in seinem Geist gefärbt war, ballte er eine Hand zur Faust und schlug damit gegen die hölzerne Reling vor ihnen. Kaum hatte er das getan, spürte er Verlegenheit in sich aufsteigen. Es waren naive und trotzige Worte, und er hatte nicht die geringste Ahnung, ob sie der Wahrheit entsprachen.
    Doch auf Kendras Zügen zeigte sich ein mattes Lächeln, und das allein zählte.
    26. April 1897, 10:58 Uhr GMT (05:58 Uhr Ortszeit)
    Vereinigte Staaten von Amerika, New York, 3rd Avenue
    New York war eine Stadt, die nie zu schlafen schien. Gestern Abend, als Wovoka zu später Stunde mit dem Zug wohlbehalten am Grand Central Depot angekommen war, herrschte auf der benachbarten Park Avenue noch reger Betrieb. Und auch heute Morgen, da er in aller Herrgottsfrühe nach einer kurzen Nacht in einem überteuerten Gästehaus auf der 45th Street die schnurgerade durch halb New York verlaufende 3rd Avenue hinabspazierte, waren schon wieder Dutzende von Fuhrwerken und eine erstaunliche Menge an Fußvolk unterwegs. Natürlich standen auch die Farmer zu Hause in Yerington mit der Sonne auf, aber dort lebten weniger Menschen auf einem Haufen, und jeder hatte mehr Zeit für sein Tagewerk. Hier schienen alle Menschen in Eile und sein, und irgendwie färbte diese Unruhe auch auf Wovoka ab.
    Da er sich gestern im Zug bereits ausgeruht hatte und das durchgelegene Bett des Gästehauses alles andere als bequem gewesen war, hatte der Paiute-Seher die halbe Nacht nicht schlafen können und stattdessen gegrübelt, was er nun, da er New York erreicht hatte, am besten unternehmen solle. Auch jetzt hatte er diese Frage noch nicht vollends geklärt, weswegen seine Wanderung die 3rd Avenue hinunter im Grunde ziellos war.
    Während seiner Vision auf dem El Capitan hatte er sich selbst an Bord eines großen grauen Schiffes gesehen. Doch wie er an Bord eines solchen kommen sollte – ganz zu schweigen davon, es zur Wahren Quelle der Magie zu lotsen – war ihm nach wie vor schleierhaft. Er konnte jedenfalls nicht einfach zum Hafen hinunterlaufen und dort den erstbesten Kapitän bitten, ihn an eine Stelle mitten im Atlantik zu bringen. Zum einen reichte seine Barschaft für solch eine exklusive Passage nicht aus, zum anderen konnte sich Wovoka des Gefühls nicht erwehren, dass es nicht irgendein Schiff sein durfte, mit dem er sich auf die Reise begab. Es musste ein ganz bestimmtes sein.
    Letzten Endes lief es darauf hinaus, dass er Hilfe benötigte, am besten die von Regierungsbeamten oder der Armee. Nur, wie sollte er sich dieser versichern? Wenn er sich zum Bürgermeister von New York begab, um diesen vor einer gänzlich nebulösen Gefahr zu warnen, die auf einem winzigen Eiland mitten im Ozean ihre Quelle hatte, würde man ihn vermutlich höflich, aber bestimmt vor die Tür komplimentieren. Auch an die Polizei konnte er sich kaum wenden; man würde ihn entweder für betrunken oder für einen Irren halten, und je nachdem, wie die Laune des diensthabenden Wachmeisters heute

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