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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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dass sich niemand in den Häusern befindet und hinausschaut«, belehrte Diodato ihn.
    Er verzog das Gesicht. »Aber was für ein eintöniger Spaziergang wird das denn, wenn ich Sie nicht einmal sehen kann? Woher soll ich wissen, ob Sie zehn Schritte hinter mir gehen, weil Ihnen die Konversation, die ich zu betreiben versuche, nicht zusagt?«
    »Sprechen Sie über Dinge, die mich interessieren könnten«, riet Diodato ihm lächelnd. »Oder schauen Sie in die Wahrsicht.«
    »Nein, nein, nein«, widersprach Holmes entschieden. »Ich habe eine viel bessere Idee. Wir bilden eine Fadenverbindung und verschmelzen unsere Auren.«
    »Das würde Ihnen so gefallen, nicht wahr? Den ganzen Weg ins Dorf hinab meine Hand zu halten.«
    Zu seiner Verärgerung spürte Holmes, wie er unter dem neckenden Blick Diodatos errötete. »Unsinn!«, schnaubte er. »Sagen Sie bloß, Sie vermögen es nicht, eine Fadenverbindung ohne Körperkontakt herzustellen.«
    Nun huschte über Diodatos Miene ein Anflug von Verlegenheit. »Touché.«
    »Warten Sie, ich zeige es Ihnen«, erbot er sich großzügig. »Es ist gar nicht so schwer, wenn man nicht ganz so plumpe Hände hat wie mein Begleiter Brown.«
    Holmes ließ zu, dass das Fadenwerk vor seinen Augen erblühte, und fing mit geschickten Bewegungen an, aus Diodatos und seinen eigenen Fäden einen Kokon zu spinnen, der sie den Blicken zufällig in ihre Richtung Schauender entzog, ohne sie füreinander ebenso unsichtbar werden zu lassen. »Ich muss zugeben, dass der Kokon die Einschränkung hat, nur bis zu einer gewissen Entfernung dehnbar zu sein. Sollten Sie sich weiter als drei oder vier Schritte von mir entfernen, wird er mit aller Wahrscheinlichkeit reißen und uns beide enthüllen. Selbiges sollten wir natürlich besser vermeiden«
    Er konnte die Belustigung in der Aura seiner Begleiterin sehen. »So versuchen Sie also, mich an sich zu binden. Welch perfides Spiel: Entweder bleibe ich an Ihrer Seite oder Sie werfen mich den Dorfbewohnern vor die Füße.«
    »Und Sie mich. Wie schon erwähnt, sind wir entweder gemeinsam in diesem Kokon oder keiner von uns beiden. Jeder befindet sich in des anderen Hand.«
    »Dann reizen Sie mich besser nicht. Denn sollte dort unten eine mordhungrige Bevölkerung auf uns warten, vermag ich mich meiner Haut sicher besser zu erwehren als Sie sich der Ihren.«
    Sie muss immer das letzte Wort haben , dachte Holmes. »Ich werde zahm sein wie ein Lamm.«
    »Müssen Sie eigentlich stets das letzte Wort haben?«, wollte Diodato wissen.
    Hoppla, erwischt. »Wenn es sich einrichten lässt.«
    »Schön. Gehen wir«, sagte Diodato.
    »Gerne«, fügte Holmes hinzu.
    Die Magieragentin seufzte.
    26. April 1897, 12:37 Uhr GMT (11:37 Uhr Ortszeit)
    Atlantik, Inselgruppe der Azoren, Insel Corvo
    Sie näherten sich dem Dorf von Nordosten, über einen ungepflasterten Karrenweg, der sich oberhalb der östlichen Steilküste entlangzog und in einem Bogen vom Kraterrand bis zum Wasser führte. Ein kühler, salziger Wind fegte über die saftigen Wiesen, und hoch am Himmel über ihren Köpfen trieb er flockige Wolken vor sich her. Zu Holmes und Lionidas Füßen war das idyllische Durcheinander kleiner Häuschen aus dunklen Ziegelsteinen mittlerweile gut zu erkennen. Die roten Dächer waren von trockenem Moos bedeckt, sodass sie genauso braun wie die vermutlich aus Vulkanstein errichteten Wände aussahen. Die schattigen Türhöhlungen glichen schwarzen Löchern in der Fassade. Nach wie vor zeigte sich keine Menschenseele auf den schmalen Straßen, und nicht aus einem Schornstein stieg Rauch auf.
    »Irgendwie gespenstisch«, murmelte Lionida, während sie dem Weg folgten, der nach Westen abbog, um sich in Serpentinen an der Flanke des Vulkankegels hinunterzuschlängeln.
    »Ich gebe Ihnen recht«, gab Holmes leise zurück.
    Obwohl sie sich beide vor zufälligen Zuhörern abgeschirmt hatten, sprachen sie mit gedämpften Stimmen. Das Scherzen war ihnen im Laufe der letzten halben Stunde vergangen, und in Lionidas Magengegend hatte sich ein eigenartiger Druck breit gemacht. Sie hätte dieser Warnung ihres Körpers nicht bedurft. Dass sich in dem kleinen Fischerdorf, in dem nicht mehr als ein paar Hundert Seelen beheimatet sein konnten, etwas Furchtbares zugetragen hatte, glaubte sie unbesehen. Doch Glauben war die Aufgabe von Menschen wie Kaplan Tremore und Emma Potts. Ihr Arbeitsgebiet war die Beschaffung von Wissen. Und deshalb ging sie weiter, auch wenn es ihr bei dem Anblick des

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