Magische Insel
gepflasterten Platz vor der Mauer im Auge behielten.
»Magier reisen viel«, antwortete Justen.
»Und dieser junge Bursche?« fragte der certische Feldwebel und neigte den Kopf in meine Richtung.
»Ist mein Lehrling – zumindest im Augenblick.«
»Diese Lehre ist doch keine aus Gefälligkeit, oder, Meister Magier?«
Justen blickte den Feldwebel an. Mir kamen seine Augen uralt vor, als ob sie Erfahrungen sähen, die man lieber nicht zurückruft.
Der Feldwebel trat zurück und nickte. »Tut mir leid, dass ich Euch aufgehalten habe, meine Herren.« Sein Gesicht war blass.
Als ich die Zügel aufnahm, strich meine Hand am Stab vorbei, der unsichtbar in der Halterung steckte. Ich staunte über meine Fähigkeit, kleine Gegenstände zu verhüllen, indem ich Licht darum wickelte. Ich schnalzte mit der Zunge, und Gairloch trug mich zum Bauernkarren.
Ein Soldat hatte den Kutschbock weggerissen und zog kleine Säcke darunter hervor. Sein Kamerad hielt den zitternden blondbärtigen Bauernburschen fest.
Ich blickte Justen fragend an.
»Hanfsamen«, lautete die knappe, gleichgültige Antwort.
»Nein!« schrie der Mann.
Ein Soldat schaute mich an. Ich straffte Gairlochs Zügel und trabte an den Granitmauern vorbei in die Stadt Jellico. Dann ließ ich Gairloch im Schritt gehen, damit Justen und Rosenfuß mich einholten.
»Werden sie ihn hinrichten?« fragte ich.
Justen verließ die breite Straße zum Stadttor und bog nach links in eine schmale Gasse ein. »Nein.«
Bereits nach weniger als einer Viertelmeile fiel mir der Einfluss des Vicomtes auf. Keine Straßenhändler, keine Bettler, kein Unrat, kein Abfall. Die Straßen waren mit Ziegeln gepflastert und eben, sogar in der Gasse, die wir entlangritten.
»Was wird mit ihm geschehen? Mit dem Bauern?«
»Das ist kein Bauer, sondern nur ein junger Narr, den man angeheuert hat, den Karren zu fahren. Man wird ihm ein X auf die Stirn einbrennen. Die Wachen schicken alle mit Brandzeichen fort. Sollte man ihn je wieder in Jellico aufgreifen, wird er auf dem Hauptplatz hingerichtet.«
»Nur wegen Schmuggelns?«
Justen schüttelte bedächtig den Kopf. »Die Herberge liegt dort vorn.«
»Aber warum?«
»Wegen Ungehorsams dem Vicomte gegenüber. Bis auf Bier und Wein sind alle Drogen verboten. Ebenso wie die Ausübung von Magie ohne das Siegel des Vicomtes, mit dem er persönlich die Erlaubnis erteilt. Verboten sind auch gewerbliche Unzucht und der Verkauf von Waren ohne Gewerbeschein.«
Ich blickte zu der Stelle, wo ich – mit Mühe – den Stab sehen konnte, den kein anderer außer einem guten Magier zu sehen vermochte. Ich schauderte.
»Wir bringen erst einmal Rosenfuß und Gairloch in den Stall.«
Die Herberge hieß einfach Jellicos Herberge. Kein einfallsreicher Name, aber Jellico schien keine Stadt zu sein, die für Phantasie viel übrig hatte.
»Welche Art von Magie erhält das Siegel des Vicomtes?«
»So wenig wie möglich. Heiler, hauptsächlich von der ordentlichen Sorte.«
»Gibt es Weiße Heiler? Chaos-Heiler? Wie wäre das möglich?«
Justen schüttelte den Kopf, während Rosenfuß den ihren hochwarf. »Es gibt zwei Formen des Heilens, Lerris. Die eine stellt den Körper wieder her, ordnet ihn, schließt Wunden und heilt Knochenbrüche. Dazu bedient man sich der Ordnung, um natürliche Schienen anzulegen. Die andere stärkt die Abwehr des Körpers gegen Ansteckungskrankheiten. Das alles beruht auf Ordnung. Im Grunde haben wir diese Methode bei den Schafen angewendet. Bei Menschen ist das Verfahren komplizierter, aber ähnlich. Manche Krankheiten kann man bekämpfen, indem man die winzigen Geschöpfe vernichtet, welche die Erkrankung hervorrufen. Dabei ist Chaos die Grundlage, und diese Methode kann sehr riskant sein, wenn man die Zerstörung nicht ganz genau abstimmt. Lies dein Buch! Die gesamte Theorie ist darin erklärt. Eigentlich sollte ich dir überhaupt nichts davon erzählen.
Denk dran, Lerris: Du besitzt das Siegel des Vicomtes nicht. Was auch immer geschieht – vergiss das nicht. Dann hilft es dir auch nicht, dass du mein Lehrling bist. Besser wäre es, wenn du das Buch läsest.«
In diesem Augenblick war ich bereit, meinen unsichtbaren Stab zu nehmen und ihn dem Grauen Magier über den Schädel zu schlagen. Wann – um alles auf der Welt – hatte ich denn Zeit zum Lesen? Aber was nützte es, mit Justen zu streiten? Er hätte nur gefragt, wie lange ich das Buch schon besäße, und dann hätte ich zugeben müssen, dass ich früher sehr wohl
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