Magische Insel
ins Geschäft.
Die Läden des einzigen Fensters der Schreinerei waren zurückgeschlagen. Sie hingen etwas schief, als wären die Angeln ausgeleiert und nicht ersetzt worden. Die blaue Farbe des Fensterstocks und der Läden war verblasst und teilweise abgeblättert, so dass das rote Eichenholz darunter zu sehen war.
Hinter dem Haus gab es noch einen kleinen Anbau, in dem vielleicht früher einmal Pferde untergebracht waren. Jedenfalls hatten die anderen Häuser diese kleinen Ställe.
Ich trat auf die Schwelle der Werkstatt.
Dort sah es nicht gerade schlimm aus, aber überall waren kleine Zeichen von Chaos zu sehen: Sägen nicht ordentlich aufgestellt, Sägespäne in den Schubladen für Kreide und trübes Öl für den Schleifstein.
»Ja?« Ein dunkelhaariger Mann mit hängenden Schultern, hagerem Gesicht und einem alten, aber sauberen Lederschurz über der dunklen Hose blickte mich unfreundlich an.
»Ich suche Destrin.«
»Ich bin Destrin.« Die Stimme klang leise.
»Ich heiße Lerris. Ich habe gehört, Ihr könntet vielleicht etwas Hilfe gebrauchen.«
»Hmmmmm …«
»Ich bin bereit, als Geselle zu arbeiten.«
»Ich weiß nicht …«
Ich schüttelte den Kopf und blickte betont missmutig umher, ließ aber nichts über die Anfänge des Chaos verlauten.
Destrin stand vor einer halbfertigen Holzbank ohne Lehne, die wohl für eine Schenke gedacht war. Die Sitzplanke war bereits befestigt. Destrin hatte gerade die Löcher für die Beine gebohrt. Auf den ersten Blick sah ich, dass der Sitz aus drei unterschiedlichen Hölzern gemacht war, wahrscheinlich aus Abfallstücken. Die Bank war nicht übel, entsprach jedoch keineswegs dem guten Werkzeug, der reich ausgestatteten Werkstatt oder dem Haus in dieser guten Lage.
»Kannst du diese Arbeit ausführen?« fragte er zögernd.
»Ja.« Ich hatte keine Lust, mehr zu sagen.
»Wie kannst du mir das beweisen?«
Ich blickte umher. In den Körben lagen nur Abfallstücke. »Ich mache etwas, dann könnt Ihr es sehen. Dazu brauche ich nur ein paar Abfallhölzer, muss aber Euer Werkzeug benutzen.«
»Es ist gutes Werkzeug. Woher weiß ich, dass du damit umgehen kannst?« Jetzt klang er fast weinerlich.
»Schaut mir auf die Finger oder arbeitet weiter an der Bank.«
»Hmmmmmmm …«
Ich nahm das als Zustimmung. Dann fand ich ein Stück Roteiche mit ausgefallener Maserung. Daraus konnte ich ein schönes Brotbrett machen. Etliche Brettchen aus weißer Eiche würden für ein Kästchen reichen, für eine Nadelbüchse.
Jetzt kam der schwierige Teil. Keine der kleinen Sägen oder Hobel war seit Jahren geschliffen worden. Die Hobel waren zum Teil von Sägemehl verstopft, und man hatte sie offensichtlich gewaltsam benutzt. Als erstes reinigte, ölte und schliff ich sie. Die Sägen konnte ich nur reinigen.
Destrin behielt mich im Auge, während ich das Werkzeug reinigte und schärfte. Danach säuberte ich die zweite Werkbank, verstaute allen möglichen Krimskrams in den alten Schränken, in denen alles seinen Platz zu haben schien.
Erst nachdem ich das erledigt hatte, legte ich mir die Hölzer für das Kästchen zurecht. Inzwischen war die Mittagszeit längst vorbei.
»Vater …?« Eine helle Stimme erklang von der hinteren Tür der Werkstatt. Dort führte noch eine Tür nach oben in die Wohnung. »Oh, ich wusste nicht, dass jemand bei dir ist.« Das Mädchen hatte goldblonde Locken und war dünn wie der Vater. Obgleich es zierlich war, wirkte es ungemein weiblich. Die Stimme war dünn wie die des Vaters, aber nicht so weinerlich, höchstens müde. Über einer wadenlangen braunen Hose trug es eine verwaschene blaue Schürze und eine ebenfalls verwaschene gelbe Bluse. Die Füße steckten in Sandalen.
»Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich heiße Lerris«, erklärte ich.
Die junge Frau blickte zum Vater, dann zu mir.
»Ich versuche deinen Vater zu überreden, mich als Gesellen einzustellen.«
»Hmmmmm«, machte Destrin wieder. Dann hustete er.
Ich fragte mich, ob das seine Art war, sich über irgendetwas klar zu äußern. Ich schwieg und maß die Brettchen ab.
»Möchtest du mit uns essen?« fragte sie. »Es gibt aber nur Suppe, Obst und Brötchen.«
Destrin warf seiner Tochter einen empörten Blick zu.
»Aber ihr beide kennt mich noch nicht. Ich danke für die Einladung, aber ehe ich nicht etwas Gutes für Destrin gefertigt habe …« Während ich sprach, entspannte sich der Schreiner sichtbar.
»Dann bringe ich dir wenigstens etwas zu trinken und ein bisschen
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