Magische Insel
Ständig hörte ich die Worte: ›Wieder treibt sich ein Magier in den Osthörnern herum.‹ Irgendwann schlief ich ein. Doch wachte ich auf und wusch mich am Trog, ehe der Stallbursche erschien.
Er wusste nicht genau, wo Perlots Werkstatt lag, zeigte nur irgendwie zum anderen Ende des Mühlenviertels. Ich schmierte ihn mit noch einem Kupferling, damit Gairloch den Tag über bleiben konnte.
»Aber vor Sonnenuntergang, Bursche!«
Ich grinste nicht, aber wir wussten beide, dass er Gairloch nicht mit der Heugabel anrühren würde. Doch wenn ich später käme, würde mich das erneut Geld kosten, und das schmolz sowieso viel zu schnell dahin.
P ERLOTS W ERKSTATT
stand auf dem Schild. Darunter waren in einem Schaufenster eine Kommode und ein Armstuhl ausgestellt, gefertigt aus gedunkelter Roteiche im hamorischen Stil. Die hier gezeigte Handwerkskunst war besser als alles, was ich gesehen hatte, seit ich Onkel Sardit verlassen hatte. Die Kommode hätte möglicherweise sogar ein Nicken von ihm geerntet.
Da die Tür offen stand und keine Kunden zu sehen waren, trat ich ein.
Im Innern der Werkstatt gab der Handwerksmeister einem Lehrling und einem Gesellen Anweisungen. Sie sprachen über die Zusammensetzung einer letzten Politur.
»Du da. Ich komme gleich.«
»Bitte, Meister, meinetwegen braucht Ihr Euch nicht zu beeilen«, antwortete ich vorsichtig und neigte den Kopf. Dann trat ich zur Rückseite des Schaufensters, um die Kommode mit den drei Schubladen näher in Augenschein zu nehmen. Ich verglich sie mit Onkel Sardits Arbeiten, soweit ich mich erinnerte.
»Was denkst du?« Perlots Stimme klang morgens noch rauer als abends.
Ich drehte mich um, schaute ihn an und schwieg.
»Nun … du scheinst von Holzarbeiten etwas zu verstehen. Was meinst du?«
Ich schluckte. »Die Politur ist hervorragend, auch die Proportionen. Bei den Seitenflächen ist die Maserung schräg, nicht viel, aber genug, um abzulenken. Da man die Fugen nicht sieht, kann ich über die Festigkeit nicht viel sagen, aber alles ist auf Gehrung zusammengefügt, ohne Spalten.«
»Was ist mit dem Holz?«
»Die Schreinerarbeit ist besser als die Eiche. Der Entwurf wäre in schwarzer Eiche besser herausgekommen, aber das hätte wohl die Kosten höher geschraubt, als die meisten Kunden zahlen wollen.«
Perlot nickte. »Du suchst Arbeit, das ist klar. Und du weißt, was man von dir erwartet. Auch das ist klar. Aber ich kann dir nicht helfen.« Die Worte sprudelten hervor, als wolle er sie möglichst bald ausgesprochen haben.
»Verstehe.« Jetzt nickte ich. »Kennt Ihr einen Schreiner, der vielleicht einen guten Gesellen brauchen könnte?«
Meister Perlot rieb sich das Kinn. »Von den guten … keiner. Wir haben alle mehr Verwandte als Arbeit.« Dann lachte er. »Wenn du mit den Händen so gut wie mit dem Mund bist, könntest du es beim alten Destrin probieren. Er könnte Hilfe brauchen, aber …« Er zuckte mit den Achseln.
»Wo finde ich ihn?«
»Sein Laden liegt in der Straße der Goldschmiede, gegenüber dem Marktplatz.« Der Meister blickte zum Lehrling und dem Gesellen, dann wieder auf mich.
»Sind die Zeiten für die Schreinerei schlecht?«
»Nicht gerade großartig, aber auch nicht schlimm. Ich bin nicht Sardit, aber manchmal komme ich an ihn heran.«
Es gelang mir zu nicken, ohne dass mir vor Verblüffung die Luft wegblieb.
»Hast du je seine Arbeiten gesehen, junger Mann?«
»Ja. Eine Kommode, die er gemacht hat, aus schwarzer Eiche.«
Perlot spitzte die Lippen. »Warum brauchst du Arbeit?«
»Ich habe sehr jung mein Zuhause verlassen. Meine Lehre gefiel mir nicht. Mein Onkel meinte, ich sei zu unruhig. Deshalb bin ich nach Freistadt gekommen. Wegen der Ereignisse dort bin ich etwas überstürzt weg …«
»Das hat viele Menschen in die Flucht getrieben«, meinte Perlot trocken. »Nun … ich wünsche dir Glück. Versuch’s bei Destrin, doch nenn lieber meinen Namen nicht. Aber das liegt natürlich bei dir.«
Ehe ich die Tür erreicht hatte, war der Meister bereits wieder bei seinen Polituren.
Gairloch blieb im Stall, während ich Destrin suchte. Ich betrat die Straße der Goldschmiede und folgte den knappen Anweisungen Perlots.
Ein schlichtes Holzschild hing über der Tür zum Laden: S CHREINEREI . Die Fassade war mit dunkelroten Backsteinen verkleidet, die zu beiden Seiten angebauten Häuser schienen frisch gestrichen.
Das Haus hatte zwei Türen. Die eine führte zur Treppe in die Wohnung im ersten Stock, die andere
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