Magische Insel
drehte mich um.
»Acht …«
»Lieber nicht«, murmelte Krystal.
»Sechs …«
Der Westwind frischte weiter auf und zauste meine kurzen Haare.
»Fünf und einen Silberling«, schlug der Händler vor.
»Vier und zwei Silberlinge«, feilschte ich.
»Einverstanden, Lehrling.« Seine Stimme war immer noch ausdruckslos.
»Lerris …«
Ich achtete nicht auf Krystal. Mir war klar, dass sie das Schwert nicht bezahlen konnte, und sie hatte niemanden, der ihr geholfen hätte, doch meine Mutter hätte nichts dagegen gehabt.
»Aber …«
Der Händler steckte das Schwert in eine billige Scheide.
Ich holte die Münzen heraus. Eigentlich war ich überrascht, dass ich so viele mitgenommen hatte.
Die Augen des Händlers waren auf mich geheftet. Er nahm die Münzen an sich, ohne zu nicken, als wolle er, dass wir möglichst schnell fortgingen. Ich reichte Krystal die Scheide mit dem Schwert.
»Lerris …« Sie wollte sie mir zurückgeben.
Ich legte die Hände auf den Rücken, weil ich sicher war, dass sie die Klinge nicht fallen ließe. »Komm, gehen wir. Wir können unterwegs reden.«
Der Händler packte schnell seine Waren zusammen, während wir zur Hafenmauer gingen. Ich blickte Krystal an und fragte mich, wie der Mann es geschafft hatte, diese Teufelsklinge auf dem Marktplatz anzubieten. Doch das war in diesem Moment nicht meine Hauptsorge.
»Es gehört dir.«
»Das kann ich nicht annehmen.«
»Es gehört dir«, wiederholte ich. »Du brauchst ein Schwert, und du brauchst es, ehe du in Candar oder Hamor landest.«
»Ich kann nicht …«
»Krystal, du brauchst ein Schwert. Ich weiß, dass du es brauchst, und du weißt es auch. Nenn es einen Gefallen. Oder eine Leihgabe. Nenn es, wie du willst.«
Krystal blieb stehen. Wir befanden uns gegenüber der vierten Pier, die dem Marktplatz am nächsten lag. Ich sah nur eine kleine Korvette ohne Flagge. »Wir müssen reden.«
»Wie wär’s hier?« Ich zog mich auf die schwarze Mauer hinauf. Dann musterte ich den Hafen. Außer der Korvette und einem alten Segelschiff war der Hafen leer. Kein Schiff der Bruderschaft weit und breit.
Krystal legte die Scheide mit dem Schwert auf die Mauer und schwang sich neben mich. Wir saßen mit dem Rücken zum Wasser und blickten auf ein zweigeschossiges Haus aus schwarzer Eiche und schwarzem Stein. Über der Doppeltür hing ein Schild, auf dem in drei Sprachen ›Vorräte‹ stand. Die erste Zeile, die schwarze, war Tempelschrift. Die zweite war grün, was auf Nordla hinwies, und die dritte war purpurrot und mit Gold umrandet.
Eigentlich merkwürdig, dass Candar und Recluce die alte Tempelsprache benutzten. Allerdings taten das viele Menschen in allen Städten, weil es die Hauptsprache des Handels war. Nordla und Hamor hatten völlig andere Sprachen. Deshalb bestand Magistra Trehonna wohl auch darauf, dass wir ein bisschen Nordlanisch und Hamorisch lernten. Ich hätte erwartet, dass Candar ebenfalls eine eigene Sprache besaß.
»Lerris.« Krystals Stimme riss mich aus meinem Tagtraum. Die Wellen klatschten laut gegen die Kaimauern.
Ich drehte mich so, dass ich sie anschaute, ließ aber die Beine baumeln. Sie saß bereits mit untergeschlagenen Beinen da.
»Das hättest du nicht tun müssen. Es ist ja nicht so, dass du … ich meine, ich sehe, wie du Tamra anschaust …«
»Tamra? Was hat sie damit zu tun? Sie ist ein hochnäsiges Luder.«
Krystal lächelte, kicherte aber nicht. Sie wartete nur, während die Wellen gegen die Steine schlugen und der Wind mir durchs Haar fuhr und aus dem ihren Strähnen unter den Silberschnüren hervorzog, wodurch ihre herben Züge im Licht der Nachmittagssonne weicher wurden.
Die Sonne wärmte mir wohlig den Rücken. Ich wartete, ob sie noch etwas zu sagen hätte. Es war einfach. Sie brauchte ein Schwert, und ich konnte ihr helfen. Ich konnte nicht der ganzen Welt helfen, und ich würde auch nicht Menschen helfen, die sich nicht bemühten. Wahrscheinlich stimmte ich zumindest teilweise Wrynn zu.
»Lerris.«
»Ja.«
»Warum?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Weil du nicht darum bittest. Weil ich dich mag. Weil du mich so nimmst, wie ich bin. Weil du dich nicht hinter Halbwahrheiten und Plattheiten versteckst. Ich schätze, es gibt viele Gründe.«
Jetzt schüttelte sie den Kopf. »Was wird deiner Meinung nach mit mir passieren?«
»Ich weiß es nicht.«
Krystal blickte auf die rechteckigen schwarzen Granitsteine hinab, mit denen die Straße zu den Piers gepflastert war. Die Seemauer, auf der
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