Magische Insel
Rauchfahne. Niemand außer uns beiden vermochte es zu sehen, und Tamra war so seekrank, dass es ihr einerlei war.
Weit hinter dem Bug verschwand die Sonne in dem tiefschwarzen Wasser des Golfs.
Klatsch … klatsch … klatsch … drehten sich die Schaufelräder der Eidolon und brachten uns Elle um Elle, Meile um Meile Candar näher.
Isolde stand hinter der Brücke. Keiner schenkte ihr Beachtung. Myrten mischte unter einer schwingenden Laterne Karten, und Tamra klammerte sich an die vom Lack klebrige Reling.
Ich schaute hinaus aufs Meer und betrachtete die weißen Schaumkronen auf den Wellen.
XVII
W ährend der Fahrt durch den Golf blieb die See ziemlich ruhig, so dass die Eidolon gemächlich dahinstampfte. Sie hielt steten Kurs nach Nordwesten.
Ich hatte nicht gut geschlafen, sondern war dauernd aufgewacht, aber ich hatte geschlafen – im Gegensatz zu Sammel, dem der Seegang nach einiger Zeit die gleichen Beschwerden wie Tamra verursachte, so dass er einen Großteil der Nacht an der Reling verbrachte.
Isolde schlief wie ein Stein. Sie schnarchte sogar. Myrten kam ziemlich spät in die Kabine. Seine Börse war voller als vor der Abfahrt – ein Beweis dafür, dass es sich auszahlte, seine Vorteile überall wahrzunehmen. Er stand auch als erster auf. Obwohl er sich sehr leise verhielt, wachte ich auf.
Ich folgte ihm den Niedergang nach oben auf Deck. Die Sonne schien. Mehrere Seeleute waren bereits bei der Arbeit. Sie strichen die Reling und nahmen eine Winde auseinander. Ich achtete nicht auf die fleißigen Burschen und folgte Myrten in die Messe.
Wrynn, Dorthae und Krystal waren auch schon da.
Ich ließ mich auf der Eichenbank gegenüber von Myrten nieder. Außer uns saß niemand am Tisch.
Dann taumelte Sammel herein. Er schwankte, doch nicht im Rhythmus des Schiffes. Ich deutete auf den Tisch. Er tastete sich mühsam bis zum Ende vor.
Das Frühstück bestand aus Trockenobst – Äpfeln, roten Johannisbeeren und Pfirsichen –, Zwieback und einem Tee, der so stark war, dass sogar ich den Mund verzog. Aber man konnte den Zwieback hervorragend im Tee einweichen.
Ich aß langsam, ohne aufzuschauen. Die Schiffsbesatzung hatte offensichtlich bereits gefrühstückt – viel früher als wir. Die Messe – unter der Brücke – war nicht viel größer als unsere beiden Kabinen zusammen. Die beiden Tische waren auf den Boden geschraubt, ebenso die Bänke. Die Tische enthielten Mulden. Wahrscheinlich dienten sie zur Sicherung des Geschirrs bei schwerer See.
Sammel versuchte einen Zwieback und einen Schluck Tee. Doch nach der Hälfte des Zwiebacks stand er auf und verließ mit grünlichem Gesicht die Messe.
Wrynn, Krystal und Myrten verschlangen alles, was auf dem Tisch stand.
Trotz der kurzen Nacht sah Myrten frisch und ausgeruht aus. Nur sein schwarzes Haar war noch zerzauster als sonst. Er ging als erster, ohne einen Ton zu sagen. Dorthae folgte ihm mit glänzenden Augen. Wrynn befingerte kurz den Griff ihres Wurfmessers, dann war auch sie verschwunden.
Krystal schüttelte lächelnd den Kopf.
»Ist irgend etwas komisch?« fragte ich.
»Eigentlich nicht.« Das war keine Antwort. Sie trank Tee, aß jedoch nichts.
»Das ist keine Antwort.«
»Männer!« Sie schüttelte nochmals den Kopf. Sie hatte ihre Haare nicht mit einem Silber- oder Goldband hochgebunden, sondern mit einer dunkelblauen Schnur, als wolle sie keine Aufmerksamkeit erwecken. »Männer …«, wiederholte sie und stand auf. Mit schnellen Schritten hatte sie die Messe verlassen, noch ehe mir ein Satz einfiel, der sie zum Bleiben veranlasst hätte.
Ich hatte gerade den zweiten Zwieback und ein paar getrocknete Pfirsiche gegessen, als Isolde eintraf, mit Tamra im Schlepptau.
Einen Moment lang blieb Tamra stehen. Sie wirkte wie das hellste Porzellan, das meine Mutter je gebrannt hatte – kostbar und zerbrechlich. Dann musste sie rülpsen und zerstörte damit den Eindruck von Zerbrechlichkeit. »Entschuldigung.« Sie sank auf die Bank, wo Myrten gesessen hatte.
Isolde goss den dunklen Tee in zwei glasierte braune Becher.
»Honig?«
Tamra nickte und schwankte leicht, aber im Einklang mit der Bewegung der Eidolon.
Ich kippte den Rest Tee hinunter und sah mich nach einem Platz um, wo ich den Becher abstellen könnte.
»Geh noch nicht, Lerris.«
»Wohin sollte ich gehen?«
Tamra seufzte. Isolde musterte mich empört. Ich setzte den leeren Becher an die Lippen, um die beiden Frauen nicht ansehen zu müssen. Dann schenkte ich mir
Weitere Kostenlose Bücher