Magische Insel
durchreisende Händler und einen nicht unvermögenden Studenten. Die Händler sehe ich zwei- oder dreimal im Jahr. Der Student – also, der ist kaum alt genug, um allein unterwegs zu sein.«
»Habt Ihr irgendwelche Waffen bei ihm gesehen?«
»Waffen? Eigentlich nicht. Nur einen Kurzdolch.«
»Wo ist er?«
»Seht doch mal beim Feuer nach.«
»Kommt mit und zeigt ihn mir, Natascha … wenn Ihr so freundlich wärt.«
»Gewiss, Majer … falls er dort ist.«
Ich stieg jetzt die Treppe hinab, als hätte ich kein Wort gehört.
Annalise stand beim Tresen und zog die Brauen hoch. Dann deutete sie auf die Vordertür und formte unhörbar mit den Lippen Worte.
Ich grinste, winkte ihr zu und ging leise zum Eingang. Dort schnallte ich den Umhang ab, warf ihn über und lief durch den strömenden Regen zum Stall, während der Majer und Natascha mich beim Kamin suchten. Ich war heilfroh, dass ich den Tornister mitgenommen hatte.
Die große Schiebetür stand offen. Vom Stalljungen war nichts zu sehen, als ich zu Gairloch eilte.
Regen oder nicht, Sturm oder nicht, ich musste so schnell wie möglich weg. Vielleicht ließ sich der Majer überzeugen, dass ich keiner der Schwarzstabträger war, aber eine innere Stimme sagte mir, dass er Befehl hatte, jeden festzunehmen, der möglicherweise aus Recluce stammte. Ein Verhör wäre bestimmt kein Vergnügen.
Gern hätte ich herausgefunden, ob Annalise mehr als nur zu tändeln beabsichtigt hatte … doch dazu war es jetzt zu spät. Vielleicht hatte sie mir nur schöne Augen gemacht, um Herlyt aus dem Weg zu gehen, oder weil jeder mit einem Pferd Geld haben musste.
Gairloch im dämmrigen Stall zu satteln war kein Vergnügen, vor allem da ich wenig Zeit hatte. Erst legte ich die Satteldecke falsch auf. Gairloch wieherte empört, aber er bäumte sich erst auf, als ich den Sattel draufpackte.
Peng! Der Sattel fiel mir auf die Füße.
»Schon gut, boshaftes Luder!« Ich legte die Decke richtig auf und dann behutsam den Sattel. Aber ich hatte Mühe, den Gurt festzuschnallen.
Gairloch war unruhig, gab aber während meiner ungeschickten Bemühungen keinen Laut von sich. Es gelang mir nicht, den Gurt zu schließen. Irgendetwas …
Schließlich holte ich meinen Stab aus dem Stroh und drückte das schwarze Holz leicht gegen Gairlochs Stirn.
»Puuuuh …« Er stieß die Luft aus. Im Nu hatte ich den Gurt festgezurrt. Ich hätte ihn wohl auch in den Bauch treten können wie der Stallbursche in Freistadt, aber ich wendete nur ungern Gewalt an – außerdem langweilte es mich. Der Stabtrick leistete Abhilfe, obwohl ich keine Ahnung hatte, wieso das Pferd auf das schwarze Holz reagierte.
Mit der Hirtentrense hatte ich ebenfalls meine Schwierigkeiten. Erst als ich mich zwang, ruhig und Schritt für Schritt vorzugehen, konnte ich sie anlegen. Nun musste ich nur den Tornister noch festschnallen und den Stab in die Halterung stecken. Dann band ich Gairloch los und führte ihn zur offenen Stalltür.
»Hallo! Hallo, Wirt!« rief da eine kräftige Stimme.
Ich lugte hinaus. Ein weiterer Offizier der herzoglichen Kavallerie in wasserdichter blauer Uniform stand im Regen und sehnte sich offenbar nach einem warmen Getränk und einem kräftigen Eintopf … oder brachte dem Majer noch schlechtere Nachrichten oder noch strengere Befehle.
»Verdammter Wirt … kein Stallbursche weit und breit … und das an einem so scheußlichen Morgen …«
Ich sah, dass er zum Stall kam. Schnell band ich Gairloch in der ersten Box fest und lief zur Tür.
»He, du … was fällt dir ein, einen Offizier im Regen warten zu lassen …« Der Offizier trug ein Goldblatt am Kragen. Er war einen halben Kopf größer als ich, und im Gegensatz zu seinem Ross wirkte Gairloch wie ein Spielzeugpferd.
»Verzeihung, Herr Offizier. Aber der Stalljunge ist krank …«
»Na und? Kümmre dich um mein Pferd, Junge!«
»Jawohl, Herr Offizier«, sagte ich. »Die letzte Box auf der rechten Seite ist die einzige, die noch frei ist. Aber sie ist trocken und sauber.« Am liebsten hätte ich dem anmaßenden Kerl den Schädel eingeschlagen; aber ich bezweifelte, dass ich den Stab erreicht hätte, ohne dass er mich zuvor mit dem Säbel aufgespießt hätte.
»Gut. Aber reib ihn sofort trocken und striegle ihn sorgfältig … und kein kaltes Wasser, sonst ertränke ich dich eigenhändig darin.« Er warf mir die Zügel zu.
»Jawohl, Herr Offizier.« Ich zog an den feuchten Zügeln. Das Pferd war besser ausgebildet oder weniger stur als die
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