Magische Insel
sie den einen Humpen vor Herlyt auf den Tisch.
»Hier, Herr.« Zu meinem Humpen brachte sie einen Teller mit Käse und Weizenbrot. »Kommt Ihr aus Howlett, aus Adlernest oder aus Freistadt?«
Der Soldat richtete sich sofort auf. Ich war gewarnt.
»Aus keinem dieser Orte. Ich bin die Küste entlanggeritten, wollte aber wegen des Regens und der düsteren Stimmung in Freistadt nicht lange bleiben. Außerdem hat man gesagt, dass dort keine Schiffe mehr anlegen.«
Der Soldat entspannte sich etwas. Annalise nickte. »Das ist ein langer Ritt.«
Ich grinste. »Und ein ziemlich kalter.« Dann nahm ich einen Schluck von dem Rotbeerensaft, brach ein Stück Käse ab und legte es auf eine Scheibe Brot.
Beim Essen zwang ich mich, jeden Bissen langsam zu kauen. Das Mädchen kehrte zurück in die Küche. Der Soldat widmete sich wieder seinem Humpen.
»Herr …?«
Vor mir stand eine riesige dampfende Schüssel, daneben eine kleinere mit gewürztem Apfelkompott. Beide Schüsseln waren aus dickem Steingut. Die Glasur zeigte feine Risse.
Herlyt hatte bezüglich des Eintopfs recht gehabt. Das musste ich zugeben. Er war gut gewürzt, heiß und schmeckte hervorragend. Trotzdem schob ich die Schüssel von mir, ehe ich sie leergegessen hatte, weil mir furchtbar schlecht geworden wäre, wenn ich noch einen Löffel gegessen hätte.
»Steht Euch der Sinn noch nach etwas anderem?«
Ich blickte zum Soldaten hinüber. Er lag mit dem Gesicht auf der Tischplatte.
»Später vielleicht?« fragte ich, um ihr vorheriges Lächeln auf die Probe zu stellen.
Sie zuckte mit den Schultern, lächelte aber nicht.
»Wie viel?«
»Fünf oder einen halben Silberling.«
Nachdem ich den Rotbeerensaft ausgetrunken hatte, gab ich ihr einen Silberpfennig. Sie gab mir fünf Kupferlinge zurück, von denen ich ihr einen zusteckte. Schnell verstaute sie ihn im Gürtel, ehe sie zurück in die Küche ging. Mit einem bedauernden Blick zurück stieg ich die knarrende Treppe hinauf. Im Zimmer überprüfte ich sofort meinen Tornister. Nichts war angerührt.
Als ich meine Hose ablegte, fragte ich mich, ob Annalise tatsächlich Absichten auf mich hatte.
Sie hatte keine … zumindest hörte ich kein leises Klopfen an meiner Tür, ehe ich in einen traumlosen Schlaf fiel.
XXII
D er Morgen zog nicht weniger trübe als der gestrige Tag herauf. Mehr oder weniger starker Regen ergoss sich aus den dunklen Wolken, die sich nicht zu bewegen schienen.
Ich wachte zum ersten Mal auf, als die Wirtin leise eine neue Waschschüssel mit frischem warmen Wasser brachte. Dabei warf sie nur einen flüchtigen Blick auf mich und den Schrank. Danach schloss ich wieder die Augen. In meinem Kopf schwirrten unzählige Fragen umher. Warum ergoss sich soviel Regen über das Herzogtum von Freistadt? Warum war ein Chaos-Meister in jener Kutsche auf dem Weg zum Hafen? Und warum hatte er eine Kutsche benutzt?
Ächzend und stöhnend schwenkte ich die Beine über die Bettkante. So weh hatten mir die Schenkel noch nie im Leben getan, nicht einmal zu Beginn der Übungen bei Gilberto. Auch in den Schultern hatte ich einen fürchterlichen Muskelkater. Allein das Sitzen tat schon weh.
Nach einigen Streckübungen und nach dem Waschen fühlte ich mich etwas besser.
Dann besah ich meine Kleidung. Der Umhang war trocken, meine Hose auch. Mit etwas Kratzen gelang es mir, den Lehm zu entfernen. Trotzdem … in baldiger Zukunft musste ich die Sachen waschen, wenn ich nicht wie ein Iltis stinken wollte.
Draußen pfiff der Wind. Regen klatschte gegen die Herberge. Ich kleidete mich an und zog die Stiefel an. Dann kramte ich im Tornister. Ich lächelte, als mir das Buch Die Basis der Ordnung in die Hände fiel. Ich hatte immer noch keinen Blick hineingeworfen, aber früher oder später würde ich darin lesen. Mein Vater hatte einen Grund für alles.
Ich schloss den Tornister und schnallte den Umhang darauf. Dann überlegte ich, ob ich ihn mit nach unten nehmen sollte oder nicht. Schließlich schulterte ich ihn.
Ohne jedes Licht war der Korridor noch düsterer als gestern Abend. Meine Stiefel schlurften über den kahlen Fußboden.
»… Angriff auf Freistadt …«
»… jeder von denen hier sein …«
Ich blieb auf der obersten Treppenstufe stehen, um weiter zuzuhören.
»Der Kurier sagte, es seien zwei Schwarzstäbe und mehrere andere, darunter eine schwarze Kriegerin, ein Satansweib.«
»Majer, ich habe keine Ahnung, wie ein Schwarzstab überhaupt aussieht. Wir haben hier nur zwei
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