Magische Maschinen
Dorrin lenkt Meriwhen bergab zur Hauptstraße in Richtung der Brücke. »Wo ist Kaufmann Fyntals Haus?«
»Auf dem Hügel westlich vom Hafen. Hinter der dritten Pier die Straße hinauf.«
»Wisst Ihr, wie lange Fyntals Frau schon krank ist?«
»Nein.«
»Hat der Kaufmann noch irgendetwas über die Krankheit gesagt?«
»Nein.«
Fanken fühlt sich in der Rolle des Boten offensichtlich nicht wohl.
»Stammt Ihr aus Diev?«
»Nein, aus Quend. Bin schon als kleiner Junge hergekommen.«
»Seid Ihr mal mit den Schlitten am Strand gefahren?«
»Nein, und die es machen, sind verrückt.«
Dorrin stellt ihm keine weiteren Fragen mehr, sondern konzentriert sich aufs Reiten. Im unteren Teil von Diev ist es eine Spur wärmer als in den höher gelegenen Stadtteilen. Trotz des kalten Windes brennen nur in wenigen Häusern Feuer, und die Straßen sind leer bis auf einen berittenen Soldaten, der mit einer Kuriersendung vermutlich nach Kleth unterwegs ist.
Abgesehen von einem kleinen Fischerkahn, der an der ersten festgemacht hat, liegen die drei Piere verlassen da. Hinter dem Wellenbrecher ist das Meer eher weiß als blau. Dorrin kann zwei Eisschollen auf den Wellen treiben sehen.
»Die See ist sogar für die Brystaner zu rau.« Fanken lenkt sein Pferd die Straße zum Hügel hinauf, wo zwei massive, aus grauem Stein und schwerem Holz gebaute Häuser den Hafen überblicken. Anders als bei den meisten anderen Häusern in Diev sind hier kräftige Rauchfahnen über den Schornsteinen zu sehen.
Fyntals Haus, das kleinere der beiden, liegt dem Nordmeer am nächsten. Von hier aus kann man nicht nur den Hafen, sondern auf der anderen Seite auch das Meer sehen. Fanken reitet an der überdachten Veranda vorbei zum Stall, aus dem sogleich ein Stallbursche geschossen kommt.
»Bring auch das Pferd des Heilers in den Stall.«
»Jawohl, Ser.« Der Junge weicht Fankens Blick aus und schielt schräg zu Dorrin.
»Ruhig, Mädchen.« Dorrin steigt ab und tätschelt Meriwhens Hals. »Sei nur vorsichtig mit ihr.«
»Ja, Meister Heiler.«
Fanken gibt dem Jungen die Zügel seines Grauen. »Ich komme nachher noch einmal.« Damit dreht er sich um und marschiert über den gewalzten und festgetrampelten Schnee zum Haus.
Dorrin lächelt den blonden Stalljungen an.
Ein schwerer, weißhaariger Mann öffnet die Tür, noch bevor Dorrin sie erreicht. Der vier Ellen große Mann blickt auf den Heiler, den Beutel und den Schwarzen Stab herab. »Meister Dorrin, ich bin Euch dankbar, dass Ihr so rasch kommen konntet.« Sein Blick wandert weiter zu Fanken. »Und ich danke dir, Fanken, dass du den Heiler geholt hast. Du kannst jetzt gehen, wenn du willst.«
»Danke, Ser. Ich bin dann im Lagerhaus.« Fanken nickt und entfernt sich.
Dorrin folgt dem älteren Mann in den Hausflur, wo er die Jacke auf einen alten Kleiderständer hängt und den Stab daneben in eine Ecke stellt. Der Flur ist mit dunkler, gemaserter Eiche vertäfelt, und in der Mitte des lackierten Holzbodens liegt ein hamorischer Teppich. Das Licht zweier heller Messinglampen spiegelt sich auf dem Boden.
»Leretia ist oben. Sie hatte den Bauchfluß. Wir alle hatten ihn. Ich glaube, es war irgendein Geflügel, das verdorben war. Aber bei ihr wurde es immer schlimmer. Wein hat ihr so wenig geholfen wie warme Bäder. Ich halte eigentlich nicht viel von Heilern, aber Honsards Mädchen erzählte Noriah, wie Ihr ihren Bruder geheilt habt, und ich dachte, es könnte nicht schaden.«
»Wie lange ist sie schon krank?«
»Mehr als einen Achttag. Sie liegt nur noch im Bett und regt sich kaum.« Fyntals Stimme zittert ein wenig. Er räuspert sich und führt Dorrin die Treppe hinauf.
Den Beutel mit den Kräutern in der Hand, steigt Dorrin hinter Fyntal die Treppe hinauf. Obwohl der schwere Mann Stiefel trägt, läuft er so leise, dass seine Füße auf dem Teppich beinahe flüstern.
Dorrin dagegen hat das Gefühl, seine Schritte brächten die Treppe zum Beben.
Leretia liegt bleich und mit ausgezehrtem Gesicht auf dem breiten Bett. Sie hat offenbar hohes Fieber. Die mit suthyanischer Spitze besetzte Decke ist bis zur Hüfte zurückgeschlagen, und man sieht das ebenfalls mit Spitzen eingefasste Nachthemd aus Baumwolle. In der Ecke sitzt eine blonde junge Frau auf einem Stuhl. Unter den roten Augen hat sie tiefe Ringe. Sie trägt eine weiche blaue Bluse und eine dazu passende Hose.
»So heiß …«, murmelt die Frau auf dem Bett, aber die Augen scheinen weder Dorrin noch Fyntal oder die jüngere Frau
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