Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert
brachte mir Schokoladenriegel und Milchshakes und Cola und Gummibärchen.
Wenn er so weitermachte, würde ich mich auf der Bühne eher übergeben als rappen.
Alenya kam herein. Sie trug ein Headset wie ein Bodyguard oder Türsteher, um ständig in Kontakt mit den anderen aus dem Organisationskomitee zu sein. In ihrem Ohr steckte ein grüner Knopf, von dem spiralförmig ein Kabel in den Kragen ihres schwarzen Jacketts verlief. Sie sprach gerade in das kleine Mikrofon, das über ihrer Oberlippe fast an der Nase hing. Fehlte eigentlich nur noch eine schwarze Sonnenbrille.
»Dann besorgt noch ein paar Bänke, wenn die Stühle nicht reichen… Na, frag den Hammerschlag, wozu ist der Hausmeister? Mann, das ist doch nicht so schwer.« Sie pustete ihren Pony aus dem Gesicht und fragte dann in ihr Mikro: »Ist Janina endlich da, verdammt? Nur sie kennt sich mit dem Mischpult aus, wir hätten schon längst den Soundcheck machen müssen. Wenn die nicht gleich kommt, flipp ich aus, wallah! Das war das letzte Mal, dass ich so was mach, wirklich, bin ich denn nur von Blödkröten umgeben?« Sie ließ sich aufstöhnend neben mich fallen.
»Blödkröten?«, fragte ich grinsend. »So kenne ich dich gar nicht.«
»Ist der Stress. Der Jockel ist auch noch nicht da und dem Hammerschlag muss man alles zweimal sagen.« Sie zog ihr Handy aus der Tasche und machte von uns beiden ein paar Fotos. »Die sind sicher ne Menge wert, wenn du mal ein Weltstar bist.«
Sie runzelte die Stirn, dann kreischte sie auf. »Ah, na endlich!« Gott sei Dank bekam ich dank Baldrian keinen zu großen Schreck. Offenbar hatte ihr jemand gerade ins Ohr gefunkt. »Okay, ich muss dann wieder, Janina ist aufgetaucht und gerade dabei, alles zu verkabeln. Also, der Soundcheck kann gleich beginnen. Luna – you’re the greatest!« Und weg war sie.
Um 19 Uhr 15 war Einlass. Wir hockten wieder hinten in der Turnhalle, aber durch den Türspalt sah ich, wie sich Eltern und Schüler und Lehrer hineindrängelten und auf die Stühle und Bänke hockten. Am Eingang waren wild blinkende Armbänder verteilt worden. Noch war es zu hell in der Aula, aber später würde sich das Publikum in ein leuchtendes buntes Lichtermeer verwandeln, so der Plan. Ich glaubte, explodieren zu müssen, wenn ich nicht endlich auf die Bühne kam. Ich wollte da raus und die Leute zum Toben bringen! Noch einmal warf ich einen Blick durch den Türspalt. Jeder einzelne Platz war besetzt. In der zweiten Reihe erspähte ich meine Familie. Tom saß jetzt auch dort. Herr Jockel kam in die Turnhalle gehetzt mit wehendem, dünnem weißem Haar. Seine Brille war ihm auf der Nase verrutscht.
»Tut mir leid«, rief er atemlos unserem Hausmeister Herrn Hammerschlag zu. »Es gab da eine kleine Verzögerung. Ich musste unbedingt das Wasser aus meinem Schwimmbad ablassen, Probleme mit Algen. War ganz dringend. Egal, jetzt bin ich ja da.« Er räusperte sich mehrmals, zog einen Zettel aus der Hosentasche und begann, leise seine Ansprache vorzulesen. Seine dürre Frau stand neben ihm und wischte ihm ständig irgendwelche Staubkörnchen vom Anzug. Ich konnte nur hoffen, dass er sich kurzhielt und die gespannte Stimmung da draußen in der Aula nicht versaute.
Ich saß wie auf Kohlen. Der Jockel betrat die Bühne, redete wie vermutet viel zu viel und viel zu lange, bis er endlich die erste Band ankündigte. Die Depris!, bescheuerter Name. Vier Jungs stöpselten ihre Instrumente ein, der Sänger ruckelte das Mikrofon zurecht, das Saallicht ging aus und die Bühnenbeleuchtung an. Tausende von Armbändern funkelten und leuchteten in allen Farben. Gut, nicht Tausende, aber es sah so aus. Unzählige Handys und Digicams wurden hochgehalten, um den Auftritt für die Ewigkeit oder ein paar Tage festzuhalten.
Mit einem Mal begann etwas ganz hinten in meinem Kopf zu zerren, als ob ein Gedanke versuchte, sich durch diese ganze Aufregung und den Tumult hindurch in meinem Hirn zu kämpfen. Da stimmte doch was nicht. Aber was nur? Kreuz und quer lief ich durch die Turnhalle, machte ein paar Stretchingübungen und sah immer wieder auf die Uhr und die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, etwas furchtbar Wichtiges nicht mitzukriegen. Und dann, als die Depris! zum Schluss noch mal alles gaben und auf ihre Instrumente eindroschen und das Publikum johlte, da wurde es mir mit einem Schlag klar, mit einem ziemlich heftigen Schlag sogar. Das Wasser. Im Pool vom Jockel. Rausgelassen.
OH !!! MEIN !!! GOTT !!!
Notiz an mich selbst: Keine
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