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Magisches Erbe

Magisches Erbe

Titel: Magisches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richelle Mead
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verletzen oder zu töten.
    Wolfe zog die Augenbraue über seinem gesunden Auge hoch. Offensichtlich glaubte er mir nicht. »Kannst du das beweisen?«
    »Haben Sie einen Schießstand?«, erwiderte ich kühl.
    Er wirkte beinahe gekränkt. »Natürlich habe ich einen.«
    Er führte uns zu einem Gebäude hinter der Garage, in der wir trainiert hatten. Ich war noch nie zuvor in diesem Gebäude gewesen, aber wie sein Haus hatte es keine Fenster. Die Tür war mit so vielen Schlössern bestückt, dass sie die Sicherheitsstandards der Alchemisten erfüllt hätte. Er ließ uns eintreten, und ich riss die Augen auf, als ich nicht nur einen Schießstand sah, sondern auch eine ganze Wand, die mit verschiedenen Arten von Waffen bedeckt war. Wolfe sah sich kurz in dem kleinen Raum um.
    »Die Ohrschützer müssen im Haus sein. Bin gleich wieder da.«
    Ich starrte weiter die Wand an und wusste, dass meine Augen jetzt ganz groß waren. »Die können unmöglich alle legal sein.«
    Adrians Reaktion war unerwartet. »Ist dir seine Augenklappe aufgefallen?«
    Ich riss den Blick von dem Arsenal. »Äh, ja. Seit dem Tag, an dem wir ihm das erste Mal begegnet sind.«
    »Nein, nein. Ich meine, ich schwöre, dass sie beim letzten Mal über seinem anderen Auge war.«
    »War sie nicht«, sagte ich sofort.
    »Bist du sicher?«, fragte Adrian.
    Ich stellte fest, dass ich nicht sicher war. Ich konnte mir leicht Wörter und Zahlen merken. Aber andere Details wie Kleidung oder Haare – oder Augenbinden – entgingen mir manchmal einfach. »Das ergibt doch keinen Sinn«, erklärte ich schließlich. »Warum sollte er das tun?«
    »Er ist Malachi Wolfe«, entgegnete Adrian. »Warum sollte er das nicht tun?«
    Dem konnte ich nichts entgegensetzen.
    Wolfe kehrte mit dem Gehörschutz zurück. Nachdem er seine Wand gemustert hatte, wählte er eine kleine Handfeuerwaffe und schloss dann einen Munitionsschrank auf. Zumindest ließ er keine geladenen Waffen herumliegen.
    »Ich mach das schon«, sagte ich zu ihm, nahm ihm die Waffe ab und lud sie mühelos. Er grunzte anerkennend. Dann deutete er auf das andere Ende des Schießstands, auf eine große Mannscheibe mit mehreren markierten Zielpunkten.
    »Also dann«, sagte er. »Mach dir keine Gedanken, falls du …«
    Ich schoss, leerte das Magazin und traf mitten in die schwierigsten Ziele. Dann gab ich ihm die Waffe. Er gab sie mir zurück. Hinter ihm konnte ich Adrian sehen, der mich mit riesigen Augen anstarrte.
    »Nimm sie«, sagte Wolfe. »Du hast bestanden. Du musst dir deine eigene Munition kaufen, aber wenn du den Leihvertrag ausgefüllt hast, bist du startklar.«
    Wie sich herausstellte, war der »Leihvertrag« ein Stück Papier, auf dessen eine Seite er den Waffentyp notierte, während ich auf der anderen Seite mit meinen Initialen unterschrieb. »Wirklich?«, fragte ich. »Das ist alles, was ich tun muss? Ich meine, ich bin froh darüber, aber …« Ich wusste wirklich nicht, was ich sonst sagen sollte.
    Wolfe wischte meinen Einspruch mit einer Handbewegung beiseite. »Du bist ein gutes Kind. Wenn du sagst, du brauchst eine Waffe, glaube ich dir. Macht dir jemand Ärger?«
    Ich ließ die Pistole in meine Kuriertasche gleiten. »Etwas in der Art.«
    Wolfe warf einen Blick auf Adrian. »Was ist mit dir? Brauchst du auch eine?«
    »Nein«, antwortete Adrian. »Außerdem habe ich keine Ausbildung. Safety first.«
    Wolfe öffnete wieder den Munitionsschrank und förderte ein langes Holzrohr und einen wiederverschließbaren Beutel zutage, der kleine Pfeile zu enthalten schien. »Soll ich dir mein Blasrohr leihen? Dazu braucht man keine große Lernkurve. Ich meine, an List und Geschick wirst du es mit den Amazonaskriegern, denen ich es gestohlen habe, zwar nie aufnehmen können, aber es kann dir aus der Patsche helfen.«
    »Danke, aber das Risiko gehe ich ein«, sagte Adrian nach einer ganzen Weile. Er klang beinahe so, als hätte er es in Betracht gezogen.
    Ich war immer noch mit dem beschäftigt, was Wolfe gerade gesagt hatte, und konnte kaum glauben, was ich gehört hatte. »Sie sind am Amazonas gewesen?«
    Diesmal zog Wolfe die Braue über seiner Augenklappe hoch. »Du glaubst mir nicht?«
    »Doch, doch, natürlich tue ich das«, antwortete ich hastig. »Es ist nur so, Sie haben es noch nie erwähnt.«
    Wolfe sah an uns vorbei ins Leere. »Ich versuche seit Jahren, meine Zeit dort zu vergessen. Aber manchen Dingen kann man einfach nicht entfliehen.«
    Ein sehr langes und unbehagliches Schweigen folgte.

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