Magisches Erbe
fand ich mich in dem Raum wieder, in dem Sonyas und Mikhails Hochzeitsempfang stattgefunden hatte. Er sah genauso aus wie damals: überall Blumen, Tische, die mit weißem Leinen und Kristallgläsern eingedeckt waren … der einzige Unterschied war der, dass der Raum jetzt leer und still war. Es war unheimlich, diese ganze Pracht und diesen Glanz zu sehen, ohne dass jemand es genoss. Ich hätte in einer Geisterstadt sein können. Ich schaute an mir hinunter und sah, dass ich auch das gleiche Kleid wie an jenem Abend trug.
»Ich hätte es rot machen können, weißt du. Das ist eine bessere Farbe für dich – nicht dass Blau dir nicht stünde.«
Adrian kam auf mich zu, in denselben dunkelblauen Anzug gekleidet. Schlagartig wurde mir klar, dass ich mich in einem Geisttraum befand. Es war eine weitere unglaubliche Leistung dieses Elements, dass ein Geistbenutzer in die Träume eines anderen eindringen konnte. Nein – nicht eindringen. Der Benutzer war in der Lage, den Traum selbst zu schaffen und jedes Detail zu kontrollieren.
»Es ist lange her, seit du mich das letzte Mal in einen dieser Träume gezogen hast«, bemerkte ich.
»Und sieh dir an, was für Fortschritte du gemacht hast. Das letzte Mal hast du um dich getreten und geschrien.« Er hielt mir eine Hand hin. »Willst du tanzen?«
»Keine Musik«, entgegnete ich. Nicht dass ich die Absicht gehabt hätte zu tanzen. Er hatte jedoch nicht unrecht, was meine Reaktion betraf. Ich hatte zwar nicht gerade um mich getreten und geschrien, aber ich war schon irgendwie ausgeflippt. Ich war im Vollbesitz meiner Ängste in Bezug auf Vampire und Magie gewesen, und von einer Welt umgeben zu sein, die vollständig aus dieser Magie geschaffen worden war, das hatte mir Angst gemacht und mich aus dem Gleichgewicht gebracht. Und jetzt? Jetzt fühlte ich mich anscheinend so wohl, dass meine größte Sorge die war, dass er mich in dieses Kleid gesteckt hatte. Ich deutete darauf.
»Kannst du mir etwas anderes anziehen?«
»Das kannst du selber machen«, erwiderte er. »Ich lasse die Kontrolle fahren. Stell dir einfach vor, wie du in Wirklichkeit aussiehst.«
Ich tat genau das, und einen Moment später trug ich Jeans und ein hellblaues Strickoberteil. Das enttäuschte ihn offensichtlich. »Schläfst du darin etwa auch?«
»Nein.« Ich lachte. »Ich habe versucht, überhaupt nicht zu schlafen. Es hat nicht funktioniert. Warum hast du mich hergebracht?«
Er kam angeschlendert und griff nach einem der Kristallgläser, dann nickte er anerkennend, als sei er eine Art Experte für Glasmacherei. »Genau aus diesem Grund. Ich habe gesehen, wie sehr dir dieser Traum zugesetzt hat. Ich dachte, wenn ich dich in einen von diesen Träumen hineinziehe, kann ich dich aus Veronicas Träumen heraushalten.«
Auf den Gedanken wäre ich nie gekommen. Vampirmagie war ihrer Magie zweifellos vorzuziehen. Als ich mich umblickte, sah ich den Raum mit anderen Augen. Er wurde zu einem Zufluchtsort, an dem sie mich nicht erreichen konnte. Zumindest hoffte ich das. Wir wussten nicht, wie ihre Magie gegen die von Adrian wirken mochte. Soviel ich wusste, konnte sie mit Sonyas Strauß in den Händen durch die Tür spaziert kommen.
»Danke«, sagte ich. Ich setzte mich an einen der Tische. »Das war lieb von dir.« Es war wieder einer dieser unglaublichen Momente, in denen Adrian meine Gedanken erraten hatte – oder in diesem Fall meine Ängste.
»Und außerdem war es selbstsüchtig. Ich wollte dich in dem Kleid sehen.« Er dachte noch einmal nach. »Eigentlich wollte ich dich wieder in diesem roten Halloweenkleid sehen, aber ich dachte, das ginge zu weit.«
Ich wandte den Blick ab, als mir ein Bild dieses Kleides vor Augen kam. Lia DiStefano hatte das Kostüm für mich entworfen. Sie hatte es entfernt an ein altgriechisches Gewand angelehnt, und herausgekommmen war eine hauchzarte Kreation aus Rot und Gold. Das war der Tag gewesen, an dem Adrian gesagt hatte, ich sei das schönste Geschöpf, das auf Erden wandle. Das war gewesen, kurz bevor er seine Gefühle für mich zum Ausdruck gebracht hatte, aber seine Worte hatten mich trotzdem aus der Fassung gebracht. Ich dachte an das, was er jetzt für mich tat, und beschloss, ihm eine kleine Entschädigung zu geben. Ich konzentrierte mich erneut auf meine Kleider, und das blaue Kleid kehrte zurück.
»Besser?«, fragte ich.
Seine Miene hellte sich auf eine Weise auf, die mir wiederum ein Lächeln entlockte. »Ja.«
In der Hoffnung, dass ich keine
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