Magisches Erbe
Blitzschlägen«, meinte Adrian. »Ich wette, es wird so ähnlich sein wie Ninja-Stern-Werfen. Nur dass du halt Leute in Brand stecken könntest.«
Als ich die Seite fand, die Ms Terwilliger markiert hatte, las ich den Titel laut vor: »›Callistana-Beschwörung‹.«
»Was bedeutet Callistana?«, fragte Adrian.
Ich sah mir das Wort genau an und überzeugte mich davon, dass ich die kunstvolle Schrift korrekt entzifferte. »Keine Ahnung. Es klingt so ähnlich wie das griechische Wort für ›schön‹. Der Untertitel des Zaubers lautet: ›Für Schutz und Vorwarnung.‹«
»Vielleicht ist es eine Art Schild, wie der, den Jackie hatte«, schlug Adrian vor. »Nur einfacher.«
»Vielleicht«, stimmte ich zu. Gegen ein bisschen Unverwundbarkeit hätte ich nichts einzuwenden.
Ich öffnete den Beutel, den mir Ms Terwilliger gegeben hatte. Darin fand ich Drachenblutharz, eine kleine Flasche Gardenienöl, Wacholderbeerzweige und einen glitzernden Rauchquarzkristall mit goldenen Rutilnadeln. Sie hatte zwar die Zutaten bereitgestellt, aber ich musste sie laut Anweisungen für den Zauber auf eine ganz besondere Weise abmessen und verwenden, was sinnvoll war. Wie gewöhnlich war es die Arbeit des Webers, die der Magie ihre Macht verlieh. Adrian richtete sich auf und las über meine Schulter mit.
»Da steht gar nicht, was geschieht, wenn du den Zauber wirkst«, bemerkte er.
»Ja … von diesem Teil bin ich nicht so begeistert.« Vermutlich ging man davon aus, dass der Weber des Zaubers wusste, was er tat. Wenn dies eine Art Schutzschild war, dann würde sich der Schild vielleicht um mich herum materialisieren, so wie es bei Ms Terwilliger geschehen war. »Nun, wir sollten nicht sinnlos Zeit verschwenden. Wir werden es noch früh genug herausfinden.«
Adrian kicherte, als er mir zusah, wie ich zu einem freien Stück Land hinüberging. »Wundert sich außer mir eigentlich niemand, dass du Magie jetzt blind wirkst?«
»Keine Sorge«, versicherte ich ihm. »Du bist nicht der Einzige.«
Ich musste die Wacholderbeeren einzeln abpflücken und auf den Boden legen, bis sie einen kleinen Ring ergaben, wobei ich jedes Mal »Feuer und Rauch« sagte. Als ich fertig war, salbte ich jede Beere mit einem Tropfen des Öls und sprach: »Atme und lebe.« In dem Kreis entzündete ich ein kleines Häufchen von dem Harz und legte den Rauchquarz obenauf. Dann trat ich zurück, las den Zauber noch einmal durch und prägte mir die Worte und die Gesten gut ein. Sobald ich mir sicher war, dass ich ihn auswendig konnte, gab ich Adrian das Buch und warf ihm einen hoffnungsvollen Blick zu.
»Wünsch mir Glück«, bat ich.
»Du machst dein eigenes Glück«, antwortete er.
Ich versuchte, nicht die Augen zu verdrehen, und wandte mich dem Kreis zu. Dann rezitierte ich entsprechend der Anweisung des Buches die komplexe griechische Beschwörung des Zaubers und zeigte dabei in die vier Hauptrichtungen. Es war verblüffend, wie schnell die Magie in mir aufstieg und mich mit dieser seligen Macht erfüllte. Ich sprach die letzten Worte und deutete dabei auf den Wacholderkreis. Ich spürte, wie die Magie aus mir heraus und in den Quarz hineinfloss. Dann wartete ich darauf, dass etwas geschah.
Nichts passierte.
Ich warf einen Blick über die Schulter zu Adrian und hoffte, dass er etwas bemerkt hatte, das mir entgangen war. Er zuckte die Achseln. »Vielleicht hast du es falsch gemacht.«
»Es hat doch funktioniert«, beharrte ich. »Ich habe die Magie gespürt.«
»Vielleicht kannst du es einfach nicht sehen. Auf die Gefahr hin, dass ich jetzt Ärger kriege: Du solltest wissen, wie umwerfend du aussiehst, wenn du diese Sachen machst. Voll anmutig und …« Seine Augen weiteten sich. »Ähm, Sydney? Dieser Stein da qualmt.«
Ich schaute zurück auf den Kreis. »Das ist nur das Harz, das …«
Ich brach ab. Er hatte recht. Aus dem Quarz kam Rauch. Ich sah fasziniert zu, und dann schmolz der Quarz ganz langsam. Statt sich jedoch zu einer Pfütze aufzulösen, nahm die Flüssigkeit eine andere Form an, die sich bald zu etwas Neuem und Unerwartetem verhärtete: einem kristallinen Drachen.
Er war so klein, dass er in eine Hand passte, und glitzerte genauso wie der dunkelbraune Quarz. Der Drache glich mehr der schlangenförmigen Art, die man für gewöhnlich mit der chinesischen Kultur verband, und nicht dem geflügelten Typ der europäischen Sagen. Jedes Detail war sorgfältig herausgearbeitet, von den zwei langen Barthaaren bis hin zu den Schuppen seiner
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