Magisches Erbe
die Krieger. Ich habe jetzt einfach nie das Gefühl, dass sie vollkommen sicher ist, selbst mit Eddie und Angeline. Das nagt an mir. Und …« Ich war keine Schauspielerin, die auf Knopfdruck weinen konnte, aber ich tat mein Bestes, meine Stimme brechen zu lassen. »Und ich fühle mich selbst nie sicher. Als ich darum gebeten habe, den Gottesdienst besuchen zu dürfen, habe ich Ihnen erzählt, wie erdrückend es mit den Moroi ist. Sie sind überall – und die Dhampire ebenfalls. Ich esse mit ihnen. Ich sitze mit ihnen im Unterricht. Es hat mir regelrecht das Leben gerettet, an diesem letzten Wochenende mit anderen Alchemisten zusammensein zu können. Ich meine, ich versuche nicht, mich vor meinen Pflichten zu drücken, Ma’am. Mir ist klar, dass wir Opfer bringen müssen. Und ich komme auch schon besser mit ihnen klar, aber manchmal ist die Belastung einfach unerträglich – und als ich dann das über die Krieger gehört habe, bin ich zusammengebrochen. Ich konnte an nichts anderes denken, als dass ich vielleicht scheitern würde. Es tut mir leid, Ma’am. Ich hätte nicht so ausflippen dürfen. Ich habe die Beherrschung verloren, das war inakzeptabel.«
Ich brach das Geschwafel ab und wartete gespannt auf ihre Reaktion. Hoffentlich hatte ich ihr genug Material gegeben, um den Gedanken zu verwerfen, dass ich eine Dissidentin sei. Vielleicht war ich jetzt nur als äußerst schwache und instabile Alchemistin rübergekommen, die man von dieser Mission abziehen musste. Wenn das geschah … nun, vielleicht würde ich dann auf Marcus’ Angebot mit Mexiko zurückkommen.
Diesmal war ihre charakteristische Pause besonders schmerzhaft. »Ich verstehe«, sagte sie. »Also gut, ich werde das alles überdenken. Diese Mission ist von größter Wichtigkeit, glauben Sie mir. Meine Frage nach Ihren Informationen bedeutete keine Schwächung unserer Entschlossenheit. Ihre Befürchtungen wurden angehört, und ich werde über die beste Vorgehensweise entscheiden.«
Es war zwar nicht gerade das, was ich beabsichtigt hatte, aber hoffentlich würde sie Wort halten. Ich wollte unbedingt glauben, dass sie ehrlich war. »Vielen Dank, Ma’am.«
»Gibt es sonst noch etwas, Ms Sage?«
»Nein, Ma’am. Und … und es tut mir leid, Ma’am.«
»Ihre Entschuldigung wurde registriert.«
Klick.
Während des Gesprächs war ich auf und ab gegangen und stand jetzt da und starrte das Telefon an. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich Stanton wirklich dazu gebracht hatte, etwas zu unternehmen. Die Frage war nur, ob sich diese Unternehmung für mich als günstig oder als katastrophal erweisen würde.
Danach war es schwer einzuschlafen, und ausnahmsweise einmal hatte es nichts mit Veronica zu tun. Ich war zu aufgeputscht, zu ängstlich wegen der Begegnung mit Marcus und des Telefonats mit Stanton. Ich versuchte, dieses Gefühl von Freiheit wieder heraufzubeschwören, und benutzte es, um Kraft zu schöpfen. Diesmal war es nur ein Funke, der unsicher flackerte, aber es schien mir besser als nichts.
Irgendwann gegen drei schlief ich ein. Ich hatte ein vages Gefühl, dass einige Stunden verstrichen waren, bevor ich in einen von Adrians Träumen gezogen wurde, der wieder in dem Saal des Hochzeitsempfangs stattfand. »Endlich«, sagte er. »Ich hatte es fast schon aufgegeben, nach dir zu sehen. Ich dachte, du würdest die Nacht durchmachen.« Er hatte aufgehört, in diesen Träumen seinen Anzug zu tragen, wahrscheinlich weil ich immer in Jeans auftauchte. Heute Nacht trug er ebenfalls Jeans und dazu ein schlichtes, schwarzes T-Shirt.
»Ich auch.« Ich rang die Hände und begann selbst hier auf und ab zu laufen. Die nervöse Energie meines wachen Ichs hatte sich auf den Traum übertragen. »Heute Abend ist viel passiert.«
Der Traum kam mir sehr real vor. Adrian war nüchtern. »Bist du nicht gerade erst zurückgekommen? Wie viel kann denn passiert sein?«
Als ich es ihm erzählte, schüttelte er staunend den Kopf. »Mensch, Sage. Bei dir geht es immer um alles oder nichts. Keine Minute Langeweile.«
Ich blieb vor ihm stehen und lehnte mich an einen Tisch. »Ich weiß, ich weiß. Denkst du, ich habe gerade einen riesigen Fehler gemacht? Gott, vielleicht hat Marcus recht gehabt, und das Tattoo enthielt tatsächlich irgendeinen Loyalitätszwang. Kaum bin ich eine Stunde frei, verliere ich gegenüber meiner Vorgesetzten völlig die Beherrschung.«
»Es klingt allerdings so, als hättest du deine Spuren verwischt«, erwiderte er, obwohl ein leises
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