Magisches Erbe
ehrlich überrascht, aber wenn es in dieser ganzen Sache eines gab, von dem ich voll und ganz überzeugt war, dann war es die Tatsache, dass die Alchemisten außerordentliche Lügner waren.
»Weil sie wissen, dass es die Moroi ins Chaos stürzen könnte, wenn Jills Aufenthaltsort bekannt werden würde. Ihr Augenmerk liegt immer noch auf den Strigoi, aber sie hätten nichts dagegen, wenn es die Moroi träfe.«
»Ich verstehe.« Ich fragte mich immer, ob sie schwieg, um ihre Gedanken zu sammeln, oder ob es nur Effekthascherei war. »Und wie haben Sie davon erfahren?«
»Von diesem Bekannten, der früher bei den Kriegern war. Wir sind noch miteinander befreundet, und er hat Zweifel an ihnen. Er erwähnte, dass er ein Gespräch mit angehört habe, in dem es um ein verschwundenes Mädchen ging, das alle möglichen Schwierigkeiten verursachen könne und gefunden werden müsse.« Vielleicht war es falsch, Trey in diese Lüge hineinzuziehen, aber ich bezweifelte ernsthaft, dass Stanton ihn in absehbarer Zeit befragen würde.
»Und Sie nehmen an, dass es sich dabei um Ms Dragomir handelt?«
»Ich bitte Sie«, rief ich. »Wer könnte denn sonst gemeint sein? Kennen Sie irgendwelche anderen Moroi-Mädchen? Natürlich ist sie gemeint!«
»Beruhigen Sie sich, Ms Sage.« Ihre Stimme klang tonlos und unbesorgt. »Es gibt keinen Grund, sich so aufzuführen.«
»Es gibt einen Grund zu handeln! Wenn sie ihr auf die Spur gekommen sind, dann müssen wir Palm Springs sofort verlassen.«
»Das«, sagte sie scharf, »ist keine Option. Um sie an ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort zu bringen, war eine umfassende Planung erforderlich.«
Ich glaubte dieses Argument keine Sekunde lang. Die Hälfte unseres Jobs bestand aus Schadensbegrenzung und der Anpassung an schnell wechselnde Situationen. »Ach ja? Haben Sie auch eingeplant, dass diese verrückten Vampirjäger sie finden?«
Stanton ignorierte den Seitenhieb. »Haben Sie denn irgendwelche Beweise dafür, dass die Krieger tatsächlich konkrete Daten über sie haben? Hat Ihr Freund Ihnen Einzelheiten genannt?«
»Nein«, gab ich zu. »Aber wir müssen trotzdem etwas unternehmen.«
»Hier gibt es kein ›wir‹.« Ihre tonlose Stimme war eisig geworden. »Sie haben nicht darüber zu entscheiden, was wir tun.«
Ich hätte beinahe protestiert und fing mich noch rechtzeitig. Entsetzen überkam mich. Was hatte ich da gerade getan? Meine ursprüngliche Absicht war es gewesen, Stanton entweder dazu zu bringen, ernsthaft zu handeln, oder aber herauszufinden, ob sie unabsichtlich Kenntnisse über eine Verbindung zu den Kriegern verraten würde. Ich hatte gedacht, Trey zu erwähnen würde glaubhaft klingen, da ich ihr kaum den wahren Grund nennen konnte, warum ich um Jill bangte. Doch irgendwie war aus meiner Bitte eine Forderung geworden. Ich hatte ihr praktisch einen Befehl entgegengebrüllt. Das war kein typisches Sydney-Verhalten. Das war auch kein typisches Alchemisten-Verhalten. Was hatte Wade gesagt? Du hinterlässt eine Spur von Brotkrumen.
Lag das daran, dass ich die Tätowierung gebrochen hatte?
Dies war kein Krümel. Es war eher ein ganzer Laib Brot. Ich stand kurz vor einer Insubordination, und ich konnte mir plötzlich diese Liste vorstellen, vor der Marcus ständig warnte, die jede meiner verdächtigen Handlungen festhielt. Brachte Stanton diese Liste gerade schon auf den neuesten Stand?
Ich musste es in Ordnung bringen, aber wie? Wie um alles in der Welt konnte ich das jetzt wieder zurücknehmen? Mein Verstand überschlug sich, und ich brauchte mehrere Sekunden, um mich zu beruhigen und logisch zu denken. Die Mission. Konzentrier dich auf die Mission. Das würde Stanton verstehen.
»Tut mir leid, Ma’am«, sagte ich schließlich. Sei ruhig. Sei respektvoll. »Ich mache … ich mache mir nur solche Sorgen wegen dieser Mission. Ich habe übrigens meinen Dad bei dem Gottesdienst getroffen.« Das wäre eine Tatsache, die sie überprüfen konnte. »Sie hätten sehen sollen, wie es an dem Abend gewesen ist, als ich von zu Hause abgereist bin. Wie schlecht unser Verhältnis ist. Ich … ich will, dass er stolz auf mich ist. Wenn hier alles in die Brüche geht, wird er mir nie verzeihen.«
Sie antwortete nicht, was hoffentlich bedeutete, dass sie aufmerksam zuhörte … und mir glaubte.
»Ich will hier gute Arbeit leisten. Ich will unsere Ziele erfüllen und Jill versteckt halten. Aber es hat bereits so viele unvorhergesehene Komplikationen gegeben – zuerst Keith und dann
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