Magisches Erbe
Angeline. Das wäre das Richtige.«
»Ja …« Ich war immer noch auf der Hut.
»Aber anschließend muss trotzdem jemand mit Eddie reden«, erklärte sie. »Es wird hart für ihn sein, weißt du? Er sollte dann nicht allein bleiben. Er braucht einen Freund.«
»Bist du nicht seine Freundin?«, fragte ich.
Sie errötete. »Na ja, natürlich. Aber ich weiß nicht, ob das richtig wäre, da … also, du weißt doch, was ich für ihn empfinde. Es wäre besser, wenn es jemand wäre, der vernünftiger und objektiver ist. Außerdem weiß ich nicht, ob ich das gut machen würde oder nicht.«
»Wahrscheinlich besser als ich.«
»Du kannst so was viel besser, als du denkst. Du kannst Dinge verdeutlichen und …«
Jill erstarrte plötzlich. Ihre Augen weiteten sich ein wenig, und für einen Moment war es, als ob sie etwas beobachtete, das ich nicht sehen konnte. Einen Moment später wurde mir klar, dass es doch nicht so war. Es gab kein »als ob«. Es war genau das, was sie tat. Sie hatte einen dieser Momente, in denen sie mit Adrians Verstand synchron war. Ich sah sie blinzeln und sich langsam wieder in mein Zimmer einklinken. Sie nahm mich erneut bewusst wahr, und dann erbleichte sie. Ich wusste einfach so, dass sie es wusste.
Rose hatte gesagt, dass man manchmal durch das Band die jüngeren Erinnerungen einer Person durchgehen könne, selbst wenn man in diesem Moment nicht durch das Band verbunden war. Als Jill mich anschaute, wusste ich, dass sie alles gesehen hatte, alles, was letzte Nacht mit Adrian passiert war. Es war schwer zu sagen, wer von uns beiden entsetzter war. Ich ging im Geiste noch einmal alles durch, was ich getan und gesagt hatte, jede kompromittierende Haltung, in die ich mich buchstäblich und im übertragenen Sinn gebracht hatte. Jill hatte mich gerade Dinge tun »sehen«, die niemand sonst je beobachtet hatte – na ja, bis auf Adrian natürlich. Und was hatte sie dabei gefühlt? Wie war es, mich zu küssen? Ihre – seine? – Hände über meinen Körper gleiten zu lassen?
Es war eine Situation, auf die ich in keiner Weise vorbereitet war. Meine gelegentlichen Indiskretionen mit Adrian hatte Jill ebenfalls mitbekommen, aber wir – und vor allem ich – hatten diese Dinge mit einem Schulterzucken abgetan. Die letzte Nacht hatte die Sache zwischen uns jedoch auf eine ganz neue Ebene gebracht, die sowohl Jill als auch mich benommen und sprachlos machte. Ich fand es furchtbar demütigend, dass sie mich so schwach und entblößt gesehen hatte, und der beschützende Teil von mir machte sich Sorgen, dass sie überhaupt etwas Derartiges gesehen hatte, Punkt.
Wir starrten uns an, in unseren Gedanken verloren, aber Jill erholte sich als Erste. Dann errötete sie noch mehr als bei der Erwähnung von Eddie und sprang förmlich aus ihrem Stuhl. Sie wandte den Blick ab und eilte zur Tür. »Ähm, Sydney, ich sollte jetzt gehen. Tut mir leid, dass ich dich so früh gestört habe. Es hätte wahrscheinlich warten können. Angeline wird heute Morgen mit Eddie reden, deshalb wäre es toll, weißt du, wenn du irgendwann Zeit für ihn hättest.« Sie holte tief Luft und öffnete die Tür, wobei sie sich immer noch weigerte, mir in die Augen zu sehen. »Ich muss wirklich los. Wir sehen uns. Tut mir echt leid.«
»Jill …«
Sie schloss die Tür, und ich sank aufs Bett zurück, außerstande stehen zu bleiben. Es war offiziell. Welche Reste von Hitze und Lust auch von meinem Zusammensein mit Adrian in der vergangenen Nacht übrig geblieben waren, nach Jills Gesichtsausdruck war alles vollkommen verschwunden. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht vollständig verstanden, was es bedeutete, eine Beziehung zu jemandem zu haben, der durch ein Band verbunden war. Sie hörte alles, was Adrian sagte. Sie erlebte jedes Gefühl, das er für mich empfand. Sie spürte es jedes Mal, wenn er mich küsste …
Ich dachte, mir würde schlecht werden. Wie waren Rose und Lissa damit umgegangen? Irgendwo in meinem verwirrten Hirn erinnerte ich mich daran, dass Rose einmal gesagt hatte, sie habe gelernt, viele von Lissas Erfahrungen auszublenden – aber es hatte einige Jahre gedauert, das herauszufinden. Adrian und Jill waren erst seit wenigen Monaten durch ein Band verbunden.
Der Schock, begreifen zu müssen, was Jill gesehen hatte, warf einen Schatten auf alles Sinnliche und Prickelnde der letzten Nacht. Ich fühlte mich, als sei ich zur Schau gestellt worden. Ich fühlte mich billig und schmutzig, vor allem, als ich mich an meine
Weitere Kostenlose Bücher